Im Gespräch

"Sind wir Sklaven des Wachstums?"
Michael Kerbler spricht mit Reiner Klingholz, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung ist kein Apokalyptiker. Nein, der Weltuntergang steht nicht bevor. Aber das Szenario, das der Zukunftsforscher entwickelt, ist keineswegs dazu angetan, Entwarnung zu geben, was die Lebensbedingungen der Menschheit angeht.

Die Botschaft des gut 300 Seiten umfassenden Buches, das Klingholz vorlegt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: "Wir sind nicht mehr Herren im eigenen Haus". Die Entwicklung, die wir in den zurückliegenden 150 Jahren durch ständiges Wachstum und der damit zusammenhängenden Ressourcenplünderung angestoßen haben, ist unserem Einfluss entglitten. Klingholz wörtlich: "Es ist eine Art von Automatismus, der uns das Ende allen Wachstums beschert. Weder Umweltbewusstsein noch Verantwortungsgefühl für kommende Generationen führen uns in diese Richtung. Es ist nicht der Homo sapiens, der am Steuer sitzt, sondern die Umwelt. Denn wir werden uns kaum aus freien Stücken dafür entscheiden, dem Wachstum Grenzen zu setzen." Die Szenarien, die Klingholz ausbreitet, zeigen eindringlich, dass wir in der Post-Wachstums-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts das Ruder mit den Rezepten von einst nicht mehr herumreißen können.

Auf mittlere Sicht erwartet Klingholz aufgrund sinkenden Bevölkerungswachstums eine Entspannung der globalen Situation. Addiert man dazu die ökonomischen Bremseffekte, die durch Ressourcenknappheit, Nahrungsmittelkrisen und Klimawandel zu erwarten sind, dürfte sich das Wirtschaftswachstum mittelfristig abschwächen und irgendwann sogar ausklingen. Diese Entwicklung sei kein Grund, die Hoffnung aufzugeben, meint der Autor. "Wir haben eine Zukunft", sagt Klingholz, "aber wir müssen lernen, das Schrumpfen zu lieben."

Service

Reiner Klingholz, "Sklaven des Wachstums", Campus Verlag, Frankfurt

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