Dimensionen - die Welt der Wissenschaft

"Der Tod im Leben." Eine Sendung über den italienischen Künstler-Philosophen Carlo Michelstaedter
Gestaltung: Franz Tomandl

Am 16. Oktober 1910 schließt Carlo Michelstaedter, jüngster Sohn einer bürgerlich-jüdischen Familie in Görz, einer Kleinstadt an der Peripherie der austro-ungarischen Monarchie, seine Doktorarbeit in Philosophie ab: "Überzeugung und Rhetorik". Am Tag darauf schießt sich der 23-Jährige eine Kugel durch den Kopf. Seine Dissertation machte Michelstaedter posthum berühmt. Durch seinen Freitod wurde er, der Selbstmord ablehnte und ein Zeichen von Mangel an Überzeugung nannte, zum tragischen Genie.

In Michelstaedters Nachlass fanden sich zahlreiche weitere Schriften: der "Dialog über die Gesundheit", Gedichte, Briefe, Tagebücher, Textentwürfe. Diese und seine Karikaturen, Zeichnungen und Bilder zeigen einen genialischen Künstler-Philosophen, der der intellektuellen und gesellschaftlichen Krise des späten 19. Jahrhunderts, der Endzeit Kakaniens, Schriften entgegensetzte, die den Bogen von den Anfängen des abendländischen Denkens vor Sokrates zu Themen schlugen, die erst das 20. Jahrhundert aufgriff und aus denen Michelstaedters Aktualität erwächst: Kann der Mensch "zum gegenwärtigen Besitz des eigenen Lebens" finden, sich seiner selbst ganz gewiss werden, ganz er selbst sein? Gelingt dies nur im Tod? Die Antwort von Carlo Michelstaedter auf seine zentrale Frage fehlt.

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