Im Gespräch

In memoriam Frank Schirrmacher:
"Ein neuer Kalter Krieg wird im Herzen unserer Gesellschaft eröffnet: vom Homo oeconomicus".
Michael Kerbler spricht mit Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der "FAZ - der Frankfurter Allgemeinen Zeitung"

"Ein sehr großer Geist" - so titelt heute die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum Tod ihres langjährigen Herausgebers und Feuilleton-Chefs Frank Schirrmacher.
Er starb gestern, Donnerstag, den 12. Juni in Frankfurt/Main und wurde 54 Jahre alt.
Aus diesem Grunde wiederholen wir heute ein Gespräch, das Michael Kerbler am 21.2.2013 mit Frank Schirrmacher in Frankfurt geführt hat.
Seine Art des Journalismus beschreibt der ehemalige Innenpolitik-Chef der ZEIT, der aus Wien stammende Journalist Werner Perger mit den Worten "Hit the main story hard" - das war sein Prinzip. Mit anderen Worten: Geschichten brachte Schirrmacher nicht nur auf die Agenda, er machte sie auch groß. Als im Sommer des Jahres 2000 z.B. das Genom entschlüsselt wurde, druckte Schirrmacher im Feuilleton der FAZ über Seiten die Buchstabenfolgen der DNA ab. Er, der zunächst Reich-Ranicki als Literaturchef und später Joachim Fest als einem der fünf Herausgeber der FAZ nachfolgte, wurden nicht nur herausragende publizistische Fähigkeiten, sondern auch dämonische Geschicklichkeit attestiert. Er öffnete das Blatt für seine Generation, machte internationale Wissenschafter in Deutschland bekannt, und das Feuilleton zur Plattform, auf der der wissenschaftlich-politisch-gesellschaftliche Diskurs Deutschlands über viele Jahre stattfand.
Mit seinen 4 Sachbüchern - eine Literaturliste finden Sie auf der Ö1-Seite - entfachte er diesen von ihm immer wieder provozierten gesellschaftlichen Diskurs. Zuletzt würdigte er am vergangenen Donnerstag den diesjährigen Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Jaron Lanier, jenen Informatiker aus Sillicon Valley, der das Internet miterfand und - wie Schirrmacher schreibt - erkannt hat, dass im digitalen Zeitalter ZITAT " tatsächlich angewendet wird, was theoretisch für möglich gehalten wurde: die Komplettüberwachung einer ganzen Gesellschaft, ihrer Kommunikation, ihrer Gemütsverfassung, ihrer Gesichter, ihres Konsums und der Geschwindigkeit, mit der sie Sätze ins Keyboard hämmern." ZITAT ENDE
Er war ein Liberal-Konservativer, der 2011 in einem vielbeachteten Artikel mit dem Titel "Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat" schrieb, dass er anerkennen müsse, dass die gegenwärtige "bürgerliche" Politik unter anderem zu schlechteren individuellen Lebensmöglichkeiten und größerer Ungleichheit geführt habe und die Linke in ihrer Kritik daran richtig lag.
An eines hat er bis zum Ende geglaubt:
ZITAT
"Was uns keiner nehmen kann, ist unser Geist! Er ist unser Kapital. Also seien Sie selbstbewusst!"

Service

Frank Schirrmacher, "Das Methusalem-Komplott.", Karl Blessing Verlag, München 2004

Frank Schirrmacher, "Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft", Karl Blessing Verlag, München 2006

Frank Schirrmacher, "Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen", Karl Blessing Verlag, München 2009

Frank Schirrmacher, "Ego: Das Spiel des Lebens", Karl Blessing Verlag, München 2013

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