Menschenbilder

"Keine Demokratie ohne Demokraten" - der Sozialphilosoph Oskar Negt
Eine Sendung von Petra Herczeg & Rainer Rosenberg

Geboren 1934 in Königsberg, war er nach der Flucht 1945 als 11-Jähriger zweieinhalb Jahre in einem dänischen Flüchtlingslager getrennt von den Eltern untergebracht. Danach kam Negt nach Oldenburg und studierte nach dem Schulabschluss in Frankfurt bei Horkheimer und Adorno.
Bereits in den 1950er Jahren trat er dem SDS, dem sozialistischen deutschen Studentenbund, bei und stand immer der Gewerkschaftsbewegung nahe.
Nach seiner Dissertation über den Gegensatz von Positivismus und Dialektik bei Hegel und Comte wurde er für 8 Jahre Assistent bei Jürgen Habermas. 1970 wurde der Sozialphilosoph Negt Professor für Soziologie an der Leibniz Universität in Hannover.
Sein Weg vom Kind aus einer Arbeiter- und Bauernfamilie in Ostpreußen führte ihn zum "Olymp" der Frankfurter Schule, hier erlebte er die Studentenbewegung nicht nur hautnah mit, sondern war einer der Wortführer der APO, der Außerparlamentarischen Opposition.

Die Entwicklung eines politischen Urteilsvermögens hält er für die Voraussetzung jeder humanen Gesellschaft, und auch deshalb ist Negt Bildung ein lebenslanges Hauptanliegen - so verfasste er eine "Theorie der Arbeiterbildung" und war einer der Gründer der Glockseeschule in Hannover, die auf dem Prinzip der Selbstregulierung basiert - bis heute hat sie doppelt so viele Anmeldungen als freie Plätze und seit 1972 kennt sie keinen 45 Minuten Takt, keine Schulglocke und kein Sitzenbleiben.

Über die Bedeutung des Jahres 1968 hatte Oscar Negt schon intensive Auseinandersetzungen mit Jürgen Habermas, dass der linke Sozialdemokrat Negt den Grünen Joschka Fischer verteidigt und Positionen von 68er Kritikern wie Götz Aly für "abenteuerlich" hält, verwundert nicht weiter. Das Bedürfnis "Anschluss an geordnete Mehrheiten zu finden" hatte er offenbar nie.

Service

Strukturbeziehungen zwischen den Gesellschaftslehren Comtes und Hegels. Frankfurt am Main 1964.
Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen. Zur Theorie der Arbeiterbildung. Frankfurt am Main 1968.
(Hrsg.): Die Linke antwortet Jürgen Habermas. Frankfurt am Main 1968.
Politik als Protest. Reden und Aufsätze zur antiautoritären Bewegung. Frankfurt am Main 1971.
(mit Alexander Kluge): Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt am Main 1972.
Keine Demokratie ohne Sozialismus. Über den Zusammenhang von Politik, Geschichte und Moral. Frankfurt am Main 1976.
(mit Alexander Kluge): Geschichte und Eigensinn. Geschichtliche Organisation der Arbeitsvermögen -- Deutschland als Produktionsöffentlichkeit -- Gewalt des Zusammenhangs. Frankfurt am Main 1981.
Lebendige Arbeit, enteignete Zeit. Politische und kulturelle Dimensionen des Kampfes um die Arbeitszeit. Frankfurt am Main/New York 1984.
Alfred Sohn-Rethel. Bremen 1988.
Modernisierung im Zeichen des Drachen. China und der europäische Mythos der Moderne. Reisetagebuch und Gedankenexperimente. Frankfurt am Main 1988.
Die Herausforderung der Gewerkschaften. Plädoyers für die Erweiterung ihres politischen und kulturellen Mandats. Frankfurt am Main/New York 1989.
(mit Alexander Kluge): Maßverhältnisse des Politischen: 15 Vorschläge zum Unterscheidungsvermögen. Frankfurt am Main 1992.
Kältestrom. Göttingen 1994, ISBN 3-88243-358-2.
Unbotmäßige Zeitgenossen. Annäherungen und Erinnerungen. Frankfurt am Main 1994.
Achtundsechzig. Politische Intellektuelle und die Macht. Göttingen 1995.
Kindheit und Schule in einer Welt der Umbrüche. Göttingen 1997.
(mit Hans Werner Dannowski): Königsberg - Kaliningrad. Reise in die Stadt Kants und Hamanns. Göttingen 1998.
Warum SPD? 7 Argumente für einen nachhaltigen Macht- und Politikwechsel. Göttingen 1998.
(mit Alexander Kluge): Der unterschätzte Mensch. Frankfurt am Main 2001. (Kompilation der Zusammenarbeit mit Kluge)
Arbeit und menschliche Würde. Göttingen 2001, ISBN 3-88243-786-3.
Kant und Marx. Ein Epochengespräch. Göttingen 2003.
Wozu noch Gewerkschaften? Eine Streitschrift. Steidl Verlag, 2004, ISBN 3-86521-165-8.7
Die Faust-Karriere. Vom verzweifelten Intellektuellen zum gescheiterten Unternehmer. Göttingen 2006, ISBN 3-86521-188-7.
Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform. Steidl Verlag, Göttingen 2010, ISBN 978-3-86521-561-1.
Gesellschaftsentwurf Europa: Plädoyer für ein gerechtes Gemeinwesen. Steidl Verlag, Göttingen 2012, ISBN 978-3-86930-494-6.
Nur noch Utopien sind realistisch: Politische Interventionen. Steidl Verlag, Göttingen 2012, ISBN 978-3-86930-515-8.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven
Titel: Trio für Violine, Viola und Violoncello in c-moll op.9 Nr.3
* Finale. Presto - 4.Satz (00:05:18)
Streichtrio

Musik teilweise unterlegt!!
Ausführende: L' Archibudelli
Ausführender/Ausführende: Vera Beths /Violine
Ausführender/Ausführende: Jürgen Kussmaul /Viola
Ausführender/Ausführende: Anner Bylsma /Violoncello
Länge: 01:19 min
Label: Sony SK 48190

Komponist/Komponistin: russische Volksweise
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Fritz Brügel
Bearbeiter/Bearbeiterin: Castellduro
Bearbeiter/Bearbeiterin: Chor
Urheber/Urheberin: Erwin Weiß
Titel: Lieder der Freiheit/Märsche der Arbeiterbewegung
* Die Arbeiter von Wien

Musik teilweise unterlegt!!
Orchester: Kammerorchester des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
Leitung: Erwin Weiß
Chor: Chorvereinigung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
Länge: 00:59 min
Label: Schallplattengilde Gutenberg SPT IV

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