Radiokolleg - Unbeugsam

Der Dichter und Filmemacher Pier Paolo Pasolini (2). Gestaltung: Christina und Martin Höfferer

"Ich kenne die Namen" ist der Beginn eines der berühmtesten Artikel von Pier Paolo Pasolini, veröffentlicht im Corriere della Sera. Der Autor gibt darin an zu wissen, welche gesellschaftlichen Dynamiken und welche politischen Verantwortlichen hinter der Gewalt und der Korruption im Italien der 1970er Jahre standen.

Pasolini war ein Unbeugsamer und vor allem war er ein Dichter. Seine kritische Analyse der Realität erfolgt mit den Waffen der Poesie. Mit dem Wort, der Musikalität und der Poesie rückte er der brutalen Wirklichkeit zu Leibe. Ein Schlüsselwerk des Filmemachers ist das Evangelium nach Matthäus. Die Verfilmung des Evangeliums durch Pasolini bedeutete einen großen Skandal, wurde doch der Autor im Italien des Jahres1963 als der Teufel betrachtet. Er galt als ein Konzentrat all dessen, was ein reaktionärer und faschistischer Teil der italienischen Gesellschaft am meisten hasste. Pasolini war Marxist, homosexuell und Dichter. Der in Bologna geborene Autor war jedoch immer fasziniert von den Evangelien und von der Figur Jesus Christus, die schon in seinen Jugendgedichten eine bedeutende Rolle spielte. Als Pasolinis Bibel-Verfilmung im Vatikan vorgeführt wurde, zollten die kirchlichen Würdenträger dem Meisterwerk vierzig Minuten lang Tribut mit Standing Ovations. Pasolini gelang eine Synthese der zentralen Aspekte der christlichen Kultur Italiens mit dem Marxismus.

Viele junge Menschen sind von Pasolini fasziniert. Er ist das Gegenteil eines Hof-Künstlers, der sich in den Dienst der Macht begibt. Pasolini ist vielmehr ein Künstler, der seine eigene Wahl trifft, Ungehorsam zeigt, Grenzen überwindet. Es ist unbestreitbar, dass Pasolini immer selbst für seine Ideen und seine Entscheidungen bezahlte. Dabei war er jedoch kein Künstler, der außerhalb der Kulturindustrie stand. Er war mitten in der Kulturindustrie drinnen. Er war ein Erfolgs-Künstler. Er nützte die Massenmedien und behielt dabei seine eigene Identität bei und beugte sich nicht den Regeln des Marktes.

Pasolinis erster Film Accattone entstand aus seinen Romanen, die in den römischen Borgate spielen, und er geht noch über die Bücher Ragazzi di Vita und Una vita violenta hinaus. Heute noch ist es unerhört, dass Pasolini in diesem Film die Geschichte eines absoluten Antihelden, eines Zuhälters, der Frauen ausnützt, erzählt, und zwar in der Art einer Erlösungsgeschichte. Auch in der Verkommenheit der Hauptfigur besteht Humanität. Sie zeigt sich im Tod. Von Seiten des Kunstministeriums wurde Accattone zunächst am Erscheinen gehindert. Eine Bewegung zahlreicher italienischer Intellektueller setzte sich für das Werk ein. Daran beteiligte sich auch Federico Fellini.

Der Film "La Ricotta" ist eine Heiligengeschichte, die Geschichte eines Märtyrers aus dem Volk. Der Prozess gegen La Ricotta war vielleicht der Höhepunkt der Hexenjagd gegen Pasolini, der 31 Prozesse im Laufe seines Lebens erlitt. Durchschnittlich jeden Monat einmal musste sich der Autor im Gerichtssaal rechtfertigen

Service

Maike Albath: "Rom, Träume. Moravia, Pasolini, Gadda und die Zeit der Dolce Vita". Berenberg Verlag 2013
Irene Klara Dini und Paolo Pilati Tarzanetto: "Pasolini e la terza generazione". Bagatto Libri 2012
Christina Höfferer: "Bella Arcadia. Das Italien der Literaten und Künstler". Styria Verlag 2011
"Pasolini Roma. Katalog zur Ausstellung im Palazzo delle Esposizioni Rom". Verlag Skira.

Film: "Pasolini. La verità nascosta". Von Federico Bruno


Federico Bruno

http://www.martinadonati.com

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