Zwischenruf

von Superintendent Olivier Dantine (Innsbruck)

Wer in den letzten Wochen soziale Netzwerke des Internet verfolgt hat, wird immer wieder einen kalten Schauer verspürt haben. ALS Ice Bucket Challenge heißt der große Hype um eine Spendenaktion, die auf die schwere und bisher unheilbare Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose aufmerksam machen und Spendengelder für deren Erforschung auftreiben soll. Wer von anderen nominiert wird, lässt sich einen Kübel eiskaltes Wasser über den Kopf gießen und stellt den Film darüber ins Internet.

Mich beschleicht dabei ein seltsames Gefühl. An dieser Aktion haben sich viele Menschen beteiligt, auch viele prominente Persönlichkeiten. Für sie hat die Beteiligung an dieser Aktion einen positiven Nebeneffekt. Mit dem Einsatz von im Verhältnis recht geringen Mitteln können Promis mehr oder weniger humorvoll auch auf sich selbst aufmerksam machen. Und durch die Auswahl der Persönlichkeiten, die sie danach für diese Aktion nominieren, können sie auch noch nebenbei auf ihren eigenen sozialen Status verweisen.

Die andere Seite von solchen Charity-Aktionen ist aber die: Durch ihre Bekanntheit können Prominente viel Öffentlichkeit auf etwas lenken, das sonst aus dem Blickfeld zu verschwinden droht. Und glücklicherweise gibt es weltweit viele Prominente, die ihrer Verantwortung nachkommen, und so auf ihre Weise mithelfen, Leid zu lindern. Auch im Fall der Ice-bucket-challenge sind vor allem in den USA sehr viele Spendengelder zusätzlich eingegangen, und es ist keine Frage, dass die Krankheit ALS durch diese Aktion in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses geraten ist. Wenn also am Ende etwas Gutes dabei herauskommt, dann gönne ich gerne den spendenden Promis ihren Imagegewinn.

Und doch kommt mir bei solchen Charity-Aktionen immer wieder die biblische Geschichte vom Schärflein der Witwe in den Sinn. Jesus lenkt den Blick auf eine arme Witwe, die im Jerusalemer Tempel wenige kleine Münzen in den Opferkasten einlegt. Im Verhältnis aber zu ihrer Armut ist ihr Beitrag ein sehr großer, und noch viel größer einzuschätzen als der Beitrag der Reichen. Genau das darf nicht vergessen werden: Neben den großen, Aufmerksamkeit erregenden Spendenaktionen gibt es noch die vielen Menschen, die fernab der Öffentlichkeit einen Beitrag für ein besseres Leben der Menschen leisten. Sei es durch regelmäßige Spenden, sei es durch ein nicht selten enormes ehrenamtliches oder über die Maßen gehendes berufliches Engagement im Sozialbereich.

So konnte ich in den vergangenen Wochen in den sozialen Netzwerken nicht nur viel Eiswasser bestaunen, sondern die Beiträge über zwei bemerkenswerte Reisen mit- und nachlesen. Der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, hat mit einer Delegation vom Vormarsch der Terrormiliz IS bedrohte christliche und jesidische Flüchtlinge im Nordirak besucht. Er hat so seine Solidarität in besonderer Weise ausgedrückt und mit den Menschen Gespräche darüber geführt, was sie im Moment am Dringendsten brauchen. Es gab auch Begegnungen mit Muslimen, sie verurteilen übrigens ebenfalls sehr scharf die Aktionen dieser Terrormiliz. Auch das ist etwas, was zu wenig in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Die zweite Reise war die einer Salzburger Delegation von engagierten Menschen rund um Diakonie und Caritas nach Rumänien, mit dem Ziel, die Situation der Roma zu erkunden, und herauszufinden, wie geholfen werden kann. Gerade in der Diskussion um die bettelnden Menschen in Salzburg eine wichtige Reise. Denn sonst vernimmt man immer wieder die Forderung, in den Herkunftsländern möge endlich das Problem gelöst werden, die konkreten Vorschläge drehen sich in der politischen Debatte meistens doch nur darum, wie die Belästigung der Salzburger und der Touristen vermieden werden kann. Freilich kam diese Delegation nicht mit fertigen Lösungen nach Hause. Und doch war es wichtig, hinzufahren, genau hinzusehen und zu berichten.

Diese beiden Reisen machen eines deutlich: Wer grundlegend helfen will, muss sich die Mühe machen, einmal genau hinzusehen und den Menschen zuzuhören. Eine Reise anzutreten ist weitaus aufwändiger als sich Wasser über den Kopf zu schütten. Die Berichte von diesen Reisen zu lesen ist weniger lustig, als sich ein Video mit einem klitschnassen Promi anzuschauen. Und nicht zuletzt ist es riskanter - nicht nur für diejenigen, die die Reise unternehmen, sondern auch für diejenigen, die ihre Berichte lesen. Sie riskieren, ihre Ansichten ändern zu müssen.

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