Gedanken für den Tag

von Martin Ploderer, Schauspieler. "In Wahrheit, Freiheit und Schönheit". Gestaltung: Alexandra Mantler

Wahrheit - Freiheit - Schönheit - drei Begriffe, die für mich untrennbar zusammenhängen.

Eines ist ihnen schon auf den ersten Blick gemeinsam: es wird oft behauptet, was sie bezeichnen, gebe es gar nicht - ja könne es gar nicht geben. Dennoch vergeht wahrscheinlich kaum ein Tag, an dem ich sie nicht irgendwo höre, oft selbst verwende - explizit oder implizit.

Am Augenscheinlichsten betrifft dies die "Wahrheit". Mir ist aufgefallen, dass im Zusammenhang mit der Wahrheit, "Viel" und "Nichts" fast das Gleiche bedeuten. Die einen sagen, es gebe keine Wahrheit, die anderen, es gebe viele Wahrheiten: jeder habe gewissermaßen seine eigene. Beide Anschauungen negieren in meinen Augen, dass es immer nur eine Wahrheit gibt - und nur eine geben kann. Wenn ich glaube, dass es immer nur eine Wahrheit gibt, behaupte ich noch nicht, dass ich sie auch als solche erkenne. Bei Gericht wird Wahrheitsfindung betrieben. Dass diese Suche nicht immer erfolgreich ist, ist noch kein Beweis dafür, dass die Gesuchte nicht existiert, sondern nur dafür, dass sie unter den gegebenen Umständen offenbar nicht eindeutig erkennbar ist.

Um die Wahrheit vollkommen und unwiderlegbar erkennen zu können, müsste ich mich selber im Zustand absoluter innerer Wahrhaftigkeit befinden, und an dieser Voraussetzung bleibe ich hängen. Es wird einem Menschen wohl nie gelingen, sich von seiner konstitutiven Subjektivität vollkommen zu lösen. Aus meiner persönlichen Frosch- oder selbst aus einer Vogelperspektive werde ich immer nur einen Teilaspekt erkennen können. Das ist allerdings so lange kein Problem, als ich nicht behaupte, dass meine Perspektive allumfassend sei.

Hilfreich bei der Suche nach Erkenntnis und Wahrheit ist jedenfalls - dies mag paradox erscheinen - die Lüge, beziehungsweise die Unwahrheit. Einerseits die Lüge als solche, denn schon die schiere Tatsache, dass man von ihr spricht, impliziert, dass es eine Wahrheit geben muss, und andererseits die ganz konkreten Lügen und Unwahrheiten im Zusammenhang mit einer bestimmten Situation, die man systematisch aussieben kann, um sich so der gesuchten Wahrheit annähern zu können. Denn auch die Lüge braucht einen Bezugspunkt. Im Zweifelsfall ist dies die Wahrheit.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert/1797 - 1828
Titel: Notturno für Klavier, Violine und Violoncello in Es-Dur DV 897
Solist/Solistin: Jörg Demus /Hammerflügel < Conrad Graf, Wien um 1830 >
Ausführende: Collegium Aureum /Mitglieder
Ausführender/Ausführende: Franzjosef Maier /Violine < Guarneri del Gesu, Cremona 1741 >
Ausführender/Ausführende: Rudolf Mandalka /Violoncello < J.& A.Gagliano, Neapel 1747 >
Länge: 02:00 min
Label: Deutsche Harmonia Mundi GD 772

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