Zwischenruf

von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

Ausstieg wäre das falsche Signal

Am König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien scheiden sich die Geister. Die Einen rufen und fordern vehement den Ausstieg Österreichs aus dem Zentrum, die Anderen mahnen, den Dialog fortzusetzen - besser: endlich zu beginnen. Der Streit eskaliert, hat zu einem ersten Rücktritt im Zentrum geführt. Das zeigt, wie engagiert die Diskussion geführt wird. Auch innerhalb der Regierung gehen die Meinungen auseinander - Minister beharren, der Kanzler auch, ebenso wie der Bundespräsident. Auch die Kirchen melden sich zu Wort, natürlich, wenn es um interreligiösen Dialog geht. Auch wenn die Evangelische Kirche am Zentrum nicht beteiligt ist, weder finanziell noch personell.

Fakt ist, dass das Zentrum von der saudischen Königsfamilie finanziert wird und dass der Wüstenstaat zu den repressivsten der Welt gehört. Von Religionsfreiheit kann keine Rede sein, aktuell gehen die Wogen hoch wegen Raif Badawi. Der saudi-arabische Blogger wollte in einem Onlineforum über den Islam diskutieren und publizierte die repressiven Praktiken in Saudi-Arabien. Das brachte ihm eine Verurteilung wegen Beleidigung des Islam ein. Als Strafe hat ein Gericht 1000 Peitschenhiebe verhängt. Die Strafe ist zwar ausgesetzt, droht aber dennoch. Dazu kommen zehn Jahre Haft und noch 190.000 Euro Geldstrafe. Zur Diskriminierung von Religionen kommt auch die massive Diskriminierung von Frauen, die in Saudi-Arabien bei weitem nicht Männern gleichgestellt sind.

Österreich will nicht mit so einem Staat kooperieren und soll daher aus dem Zentrum aussteigen, heißt es. Ich bin anderer Meinung. Selbstverständlich sind die Menschenrechtsverletzungen schlimm und müssen abgestellt werden. Ohne Wenn und Aber und uneingeschränkt. Aber derzeit kochen die Emotionen hoch, der Islam steht weltweit am Pranger. In Deutschland demonstrieren Woche für Woche zehntausende Menschen gegen eine so genannte Islamisierung Europas. Sich in dieser Situation von einem Zentrum für interreligiösen Dialog zu verabschieden, ist einfach das falsche Signal.

Vielleicht hilft eine Unterscheidung: Als Theologe und Pfarrer kann, ja muss ich für den interreligiösen Dialog plädieren. Auch wenn in Saudi-Arabien keine Kirchen gebaut werden dürfen, auch wenn dort der Wahabismus verordnete und gewaltsam durchgesetzte Staatsreligion ist, bleibe ich dabei: Der Abriss von Kommunikation, der Ausstieg, ist das Ende. Nicht umsonst beginnt das Johannesevangelium mit dem berühmten Satz: Am Anfang war das Wort.

Die andere Seite, die politische, ist zweifelsohne nicht minder plausibel: Staaten, die die Menschenrechte nicht achten, können keine Partner sein. Nicht zuletzt geht es ja auch um Steuergelder, die in das Zentrum fließen. Allerdings muss ich dann schon auch danach fragen, wie es um die wirtschaftliche Zusammenarbeit steht, wie es etwa um das Benzin steht, das aus unseren Zapfsäulen rinnt. Die Politik muss pragmatisch argumentieren und agieren. Die Religion kann und darf und muss vielleicht sogar andere Grundsätze geltend machen. Den der Hoffnung, beispielsweise. Die Geduld und die Beharrlichkeit. So heißt es etwa im Koran, dass die Geduld den Gläubigen auferlegt ist. Ich denke, dass es möglich sein müsste, mit dem König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog die Gespräche weiterzuführen oder besser: ganz neu zu beginnen. Eine Evaluation ist sicherlich gut und notwendig. Aber die Beziehung zu lösen und auf Abstand zu gehen, hilft niemandem. Miteinander reden ist immer die bessere Lösung.

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