Logos - Theologie und Leben

"Der Freund Gottes" - Abraham im Islam. Gestaltung: Johannes Kaup

Abraham gilt als der Stammvater der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Im Islam wird "Ibrahim" der "Freund Gottes" genannt. Gerade das heute notwendige interreligiöse Gespräch erfordert es, die jeweiligen Verständnisweisen gemeinsam verehrter religiöser Figuren zu erörtern.

Der Berliner Religionswissenschafter und Theologe Martin Bauschke hat vor kurzem eine brillante wissenschaftliche Analyse Abrahams unter dem Titel "Der Freund Gottes" vorgelegt. Bauschke, der seit 1999 das Berliner Büro der Stiftung Weltethos leitet, macht in seinem Buch deutlich, dass wesentliche Aspekte des muslimischen Glaubens und Lebens, z. B. das Opferfest, unmittelbar mit der Gestalt Abrahams verbunden werden.

Allerdings gibt es einige Unterschiede zwischen der jüdischen und der islamischen Sichtweise auf den Patriarchen. Während im Judentum unverblümt auch die problematischen Seiten seiner Persönlichkeit gezeigt werden (vgl. Gen 12, 20: Abraham überließ dem Pharao Abimelech seine eigene Frau, um sich selbst zu schützen), tendiert der Koran dazu, Abraham als vollkommene Gestalt des Glaubens ohne Fehl und Tadel zu idealisieren. Martin Bauschke zeigt, dass dies entscheidend mit dem islamischen Grundverständnis zu tun hat: "Abraham ist der Spiegel des Propheten Muhammad. Dieser ist der wiedergekehrte Abraham. Und beide veranschaulichen in vollkommener Weise, was es heißt, ein Muslim zu sein."

Wenn es um das Erbe Abrahams geht, scheiden sich die Geister. Während die meisten in Abraham die Schlüsselfigur für den Dialog der Religionen sehen, zeigt Martin Bauschke auf, dass Abraham auch zur Motivfigur für religiöse Gewalt von muslimischen und auch jüdischen Extremisten geworden ist. Denn insbesondere das Opfermotiv (Abraham ist aus Gehorsam gegenüber Gott bereit, sogar seinen Sohn zu opfern) hat eine "desaströse Wirkungsgeschichte". Es hat von militanten jüdischen Siedlern über Al-Quaida bis zum IS die Bereitschaft sowohl zu Selbst-, wie Fremdopferungen erhöht, obwohl die eigentliche biblische Geschichte genau das Gegenteil - nämlich das Ende aller Menschenopfer - zum Ziel hat. Aus den letzten Briefen des 9/11-Attentäters Mohammed Atta weiß man heute, dass er sich nachweislich auf das "Abrahams-Opfer" berufen hat, als er sich selbst und tausende Unschuldige bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 tötete. Martin Bauschke zeigt auf, dass die Figur des Abraham, unter dessen Namen heute im sogenannten Trialog von Judentum, Christentum und Islam Verständigungsarbeit geleistet wird, nicht als "Paradigma eines Dialogs der Religionen" gelten kann. Was aber bleibt dann von Abraham für heute?

Johannes Kaup hat Martin Bauschke in Berlin besucht und mit ihm diese spannende Frage erörtert.

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