Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Gleichwertig statt unsichtbar - wie Ärzte mit kranken Kindern kommunizieren sollten

Eine Sendung von Mag.a Nora Kirchschlager.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Gleichwertig statt unsichtbar - wie Ärzte mit kranken Kindern kommunizieren sollten

"Das pikst nur ganz wenig", sagte der Kinderarzt zum 3-jährigen Andreas vor der Blutentnahme und das Resultat fünf Sekunden später: ein brüllender Bub und eine gestresste Mutter.
Mit erkrankten Kindern wird in den hiesigen Arztpraxen viel zu wenig direkt und zumeist nicht kindgerecht gesprochen, kritisieren die AutorInnen des kürzlich erschienenen Buches "Ärztliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen" - eines von ganz wenigen seiner Art im deutschsprachigen Raum.
In England gab es vor etwa 16 Jahren den schwer zu fassenden Fall eines 15-jährigen Mädchens, das gegen seinen Willen laut Beschluss des Obersten Gerichtshofes eine Herztransplantation durchführen lassen musste. Daran knüpfte sich im englischsprachigen Raum eine intensive Diskussion über Kommunikation und gemeinsame Entscheidungsfindung in der Triade Kind, Eltern und ärztliches Fachpersonal.
2008 erkämpfte sich - wiederum vor Gericht - die 13-jährige Hannah Jones ihr Recht auf Sterben und verweigerte eine Herztransplantation. Zu viele schwere Eingriffe lagen bereits hinter ihr. Ein Jahr später änderte sie ihre Meinung, als sich ihr Zustand nochmals drastisch verschlechterte.
Dürfen Kinder selbst über medizinische Eingriffe entscheiden?
Hierzulande ist es meistens ist es so, dass vor allem bei Buben und Mädchen im Kindergartenalter über das Kind gesprochen wird, sei es mit den Eltern, Großeltern oder Kollegen. Das kranke Kind, das ebenso unter Ängsten und Unsicherheit leidet, wie erwachsene Patienten, steht im Abseits. Zum einen deswegen, weil viele Ärztinnen und Ärzte nicht wissen, wie man mit einem Kind adäquat spricht - vorrangig deshalb, weil es an den Universitäten nicht gelehrt wird. Eine gute Arzt-Kind-Kommunikation bedarf einiger weniger "Fertigkeiten" - wie z.B. dem Kind in die Augen schauen, sich vorstellen, nach dem Namen fragen, sowie kontinuierliches Beschreiben der Untersuchungs- und Behandlungsvorgänge. Schließlich hat ein Kind auch ein Recht auf Wahrheit - die vorliegende Krankheit soll also nicht verschwiegen werden. Im Falle von lebensbedrohlichen Erkrankungen ist natürlich eine sensiblere Vorgehensweise notwendig. Mit kranken Kindern so zu kommunizieren, dass diese begreifen können, worum es geht hat etliche Vorteile: Die kleinen Patienten, speziell chronisch kranke, führen die Therapiemaßnahmen konsequenter durch, sie fühlen sich in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt und nicht zuletzt wird dadurch der Grundstein für Gesundheitskompetenz im Erwachsenenalter gelegt. Natürlich darf der behandelnde Arzt im Gespräch aber nicht auf die Eltern vergessen. Gute Kommunikation mit den Müttern, Vätern etc. sorgt dafür, dass diese ihre Ängste abbauen können, die Therapiemaßnahmen verstehen und umsetzen. Und nicht zuletzt wirken beruhigte Eltern auch entspannend auf das kranke Kind.
Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos diskutiert dieses Mal mit ihren Gästen darüber, wie ärztliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen gelingen kann.

Service

Sendungsgäste:

Dr.in Lilly Damm
Mitautorin des Buches "Ärztliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen"
Ärztin für Allgemeinmedizin
Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien
Institut für Umwelthygiene - Forschungseinheit für Child Public Health
Kinderspitalgasse 15
A-1090 Wien
Tel.: +43/40160/34941
E-Mail
Homepage

Dr.in Susanne Skriboth-Schandl
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde
Ärztin für Allgemeinmedizin
Psychotherapeutin - Konzentrative Bewegungstherapie
Schulärztin
Wiedner Hauptstraße 15 (Habighof)
Stiege 1, Tür 4
A-1040 Wien
Tel.: +43/699/104 674 90
E-Mail
Homepage

Maggie Rausch
Mutter eines 7-jährigen Mädchens mit Down-Syndrom
Leiterin des Bereichs Info & Beratung im 3×21 - Zentrum zur Förderung und Begleitung von Kindern mit Trisomie 21.
E-Mail
Homepage


Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde

Kinder- und Jugendärzte in Österreich finden

Österreichische Kinderspitäler und Kinderambulanzen

Lobby4Kids - Selbsthilfegruppe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen

Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie

Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie

Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie


Buch-Tipp:

Lilly Damm, Ulrike Leiss, Wolfgang Habeler, Ulrike Habeler (Hrsg.)
Ärztliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen
Lit Verlag 2014
ISBN-13: 978-3643506368

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