Radiokolleg - Gorbatschow und die Perestroika

Von der Reform zum Zerfall der Sowjetunion (2).
Gestaltung: Brigitte Voykowitsch

Vor 30 Jahren, am 11. März 1985, wurde Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gewählt. Bereits gegen Ende seines ersten Amtsjahres führte er die Konzepte Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umstrukturierung) ein. Gorbatschow wollte die Sowjetunion von Grund auf reformieren, die Auflösung des Reiches hatte er nicht im Sinn. "So kann es nicht weitergehen", beschreibt Gorbatschow in einem seiner Bücher seine damalige Überzeugung. Russland habe zu viel Zeit verspielt und falle wirtschaftlich und strukturell immer weiter zurück, während der Westen in eine neue technologische Epoche eintritt. Russlands hoch gebildete Gesellschaft dagegen "ersticke im totalitären System" schreibt Gorbatschow. Er wollte nach eigenen Worten mehr Demokratie und mehr Sozialismus bringen. Glasnost führte dazu, dass die scharfen Debatten im Volksdeputiertenkongress live im Fernsehen übertragen wurden, Regimekritiker kamen frei, friedliche Demonstrationen wurden möglich. Die neue Freiheit führte aber auch zum Wunsch zahlreicher Sowjetrepubliken, die Vorherrschaft Moskaus abzuschütteln. Dafür, dass ihm die Entwicklung entglitt, machte Gorbatschow in jüngster Zeit immer öfter den Westen verantwortlich. Nirgendwo im Westen habe er damals echte Partner gefunden, keiner habe wohl verstanden, welche Risiken er damals mit "Glasnost und Perestroika" auf sich genommen habe. Auf den Zerfall der Sowjetunion, den der jetzige Präsident Wladimir Putin als die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet, folgten wirtschaftliches Chaos und interne Turbulenzen. Putin gelang es - auch dank der Anfang der 2000er Jahre hohen Rohstoffpreise, das Land wieder zu stabilisieren, allerdings auf autoritärem Weg. In Russland begannen nach 1991 auch wieder die alten Debatten über die Identität des Landes, wohin man gehöre, wie sich Russland kulturell und politisch definieren solle.

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Literatur:

Michail Gorbatschow, Die Rede "Wir brauchen Demokratie wie die Luft zum Atmen". Übersetzung: Sowjetische Presseagentur. Rowohlt 1987

Michail Gorbatschow, Glasnost: Das neue Denken. Übersetzt von Nowosti Moskau. Ullstein 1989

Michail Gorbatschow, Alles zu seiner Zeit. Mein Leben. Übersetzt von Birgit Veit. Hoffmann und Campe 2013

Boris Jelzin, Reden gegen den Putsch. Übersetzt von Johannes Heinrich von Heiseler und Marian Hutny. Gustav Lübbe Verlag 1991

Helmut Altrichter, Russland 1989. Der Untergang des sowjetischen Imperiums. Beck 2009

Ignaz Lozo, Der Putsch gegen Gorbatschow und das Ende der Sowjetunion. Böhlau 2014

Zdenek Mlynar, Was kann Gorbatschow ändern. Herder 1989

Valentin Falin, Konflikte im Kreml: Der Untergang der Sowjetunion. Edition Berolina 2014

Jegor Ligatschow, Wer verriet die Sowjetunion? Das Neue Buch 2012

Irina Prokhorova, 1990: Russians Remember a Turning Point. MacLehose Press 2013

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