Radiokolleg - Der Tenor Julius Patzak

14. April 2015, 09:45

Julius Patzak (geb. am 9.4.1898 in Wien) ist seit über 40 Jahren tot und vielen heute nicht mehr bekannt. Dennoch finden sich im Internet nicht selten geradezu euphorische Urteile aus aktueller Zeit; wie z.B.: "Wohl einer der besten Bach-Interpreten, den die Welt je gehört hat!" oder zu Patzaks legendärer Aufnahme des "Fidelio" unter Wilhelm Furtwängler: "A peerless tenor at his best", "ein unvergleichlicher Tenor auf seinem Höhepunkt".

Als sängerischer Autodidakt - er wollte eigentlich Dirigent werden und hat dann auch in späteren Zeiten zum Taktstock gegriffen - machte er eine Blitzkarriere: von seinem Debüt in Reichenberg, 1923, bis zum gefeierten Tenor an der Staatsoper München dauerte es nur fünf Jahre. Anders als Richard Tauber oder - in der Wiener Zeit nach dem 2. Weltkrieg - als Anton Dermota überzeugte Patzak in vielen sehr verschiedenen Rollen und Parts durch seine expressive Dramatik. Aber er polarisierte; seine Gegner warfen ihm vor, er hätte eine krähende Stimme, und das lag nicht nur an Patzaks unübertroffener Artikulation. Tatsächlich hatte er (zumeist!) ein unverkennbares Timbre, eine Charakterstimme wie ein Alfred Deller, der ebenso als Autodidakt durch seinen Ausdruck überzeugte.

Aber - abgesehen von einer Reihe von Parade-Rollen Patzaks (wie im "Evangelimann", im "Buch mit sieben Siegeln" oder im "Lied von der Erde") - wer ihn zum Beispiel mit Schuberts "Winterreise" hörte, vergaß diese interpretatorische Eigenart; es wurde zum unvergesslichen Erlebnis! - Nicht zu reden davon, dass er wie kaum ein zweiter dem Wienerlied - weit jenseits von "Raunzen" oder "Schmalz" - eine Authentizität verlieh, die einen wünschen ließe, er hätte doch auch Eisler, Weill oder Hindemith gesungen; hat er aber nicht! Dafür - so sagen Kenner/innen - wäre er wohl zu konservativ gewesen.

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