Logos - Theologie und Leben

"Wer ist ein Märtyrer?" - Der Versuch einer Aufklärung. Gestaltung: Johannes Kaup

Bei religiös motivierten Selbstmordattentätern ist immer wieder von "Märtyrern" die Rede. Sie geben ihr Leben auf, um zugleich möglichst viele ihrer vermeintlichen "Feinde" mit in den Tod zu reißen. Sie tun das, weil sie sich auf einen Glauben berufen, bzw. auf dessen Auslegung, demzufolge sie durch diese Taten zu "Märtyrern" werden und nach dem Tod ein schöneres und besseres Leben erlangen würden.

Aber können Terroristen tatsächlich Märtyrer ("Shahid") sein, also "Zeugen des Glaubens", wenn sie andere zu Opfern machen? Kann man im Namen Gottes morden, oder ist das nicht vielmehr eine Perversion des Gottesnamens?

Woher kommt der Begriff des Märtyrers? - Der an der Universität Wien lehrende Theologe Jan Heiner Tück geht dieser Frage gerade in seinem neuesten Buch nach. Im Judentum gibt es die Tradition der Heiligung des göttlichen Namens, des "Kiddusch Haschem". Sie beinhaltet das Bekenntnis zum einen Gott und schließt die Verehrung anderer Götter aus. Dem Volk Israel war es strengstens untersagt Götzendienst, Unzucht oder Mord zu begehen. Wenn Juden durch religionspolitischen Druck gezwungen wurden, diese Verbote zu missachten, trat für sie der Ernstfall ein. Sie mussten sich entscheiden, ob sie die Heiligung des göttlichen Namens notfalls mit der Hingabe des eigenen Lebens bezeugen sollten.

Auch im Christentum findet sich der Begriff "Märtyrer" in der vorkonstantinischen Zeit der Kirche, als Christen im Römischen Reich unterdrückt und verfolgt wurden. Der erste Märtyrer der frühen Kirche ist Stephanus, dem in der Apostelgeschichte eine überragende Verkündigungstätigkeit bescheinigt wird. Bischof Polykarp von Smyrna, der sich 156 n. Chr. dem Druck der kaiserlichen Religionspolitik widersetzte und dafür hingerichtet wurde, wurde als "Märtyrer" bezeichnet. "Martys" ist das griechische Wort für "Zeuge". Abgelehnt wurde aber ein enthusiastisches Hindrängen zum Martyrium. Auch die Flucht vor Verfolgung war erlaubt. Nur von Christen, die von den staatlichen Behörden gefasst und vor Gericht gestellt wurden, erwartete man Standhaftigkeit im Glauben. Im christlichen Selbstverständnis duldete der Glaube an den einen Gott, der sich Jesus Christus geoffenbart und selbst gelitten hat, keine Kompromisse. Christen weigerten sich, dem römischen Kaiser zu opfern und bezahlten dies oft mit ihrem Leben. Die furchtlose Radikalität beeindruckte die antike Umwelt. Bis heute zeugen Kirchen und Basiliken, die über den Gräbern errichtet wurden, vom Glauben dieser Märtyrer.

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