Zeit-Ton

12. Mai 2015, 23:03

Wieder einmal ist dem derzeit wohl prominentesten italienischen Komponisten mit dem Zyklus "Carnaval" ein Werk gelungen, das be- und verzaubert; wie schon in den jüngst vergangenen Jahren beispielsweise die zwölf Gesänge "Quaderno di strada", das humoristische Ensemblestück "Archeologico del telefono", die unsichtbare Aktion "Lohengrin" oder die faszinierende, Gesualdo da Venosas Leben reflektierende Oper "Luci mie traditrici" (deutscher Titel: "Die tödliche Blume", Neuinszenierung bei den Wiener Festwochen, 16.-19. Mai im Museumsquartier, nicht versäumen). - "Carnaval" also (Sciarrino: "intimer Raum für die Vorstellungskraft"), eine spirituelle Verneigung vor Schumanns Klavierzyklus op. 9, "liebliche Szenen", nicht um daraus zu zitieren, sondern um dem musikalisch Poetischen Reverenz zu erweisen. Dies eingebunden in Haiku-ähnliche Traumbild-Texte des Kunstschnitzers Towitara aus Neuguinea, der den Bug von Zeremonienbooten figürlich verzierte. Sciarrino verwandelt sie in wundersame Klang-Aphorismen, Andeutungen, worin zwei, drei, vier Töne schon eine kleine Geschichte der Phantasie hinzaubern: Mini-Madrigale. Delikat verwebtes Filigran, von den Neuen Vocalsolisten Stuttgart und dem Klangforum Wien (fünf Stimmen und zehn Spieler) höchst einfühlsam interpretiert. Gleichsam vollendete Fragmente für Feinschmecker. Dieses 2014 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführte Werk war ein Höhepunkt des Festivals.

Sendereihe

• Sound Art: Zeit-Ton