Gedanken für den Tag

von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer. "Arbeit an der Zukunft" - Zum 10. Todestag des Schriftstellers Carl Amery. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der große braune Hut mit der breiten Krempe, der weiße Sommermantel, bewegt vom kräftigen Ausschreiten, die lebhafte Gestik, die kräftige Stimme und der Schalk im Gesicht - so habe ich Carl Amery in Erinnerung, und ich kann es nicht glauben, dass es morgen schon zehn Jahre her sein wird, dass er gestorben ist. Eigentlich hieß er Christian Anton Maier, doch sein erster Verleger meinte, mit diesem Allerweltsnamen könne man nicht Schriftsteller sein, also dachte er sich das Pseudonym Carl Amery aus. 1922 in München geboren, ist er in Freising aufgewachsen, "in Rufweite der Kirchtürme", wie er einmal schrieb. In katholischen Gruppen fand er Gleichgesinnte gegen den Nationalsozialismus. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit ihm in der Küche seiner Münchner Wohnung saß und er für ein "Menschenbild" dem ORF von seinen Versuchen, den Krieg zu übererleben, erzählte - und vom Glück der amerikanischen Gefangenschaft, in der er erste Versuche machte, im Schreiben seinen eigenen Stil zu finden.

Fabulierkunst und Lust an der Debatte prägten auch jedes Gespräch mit ihm und machten ihn zu einem faszinierenden Partner für Rundfunk- und Fernsehsendungen. Auch dabei saß ihm immer der Schalk im Gesicht, und auch im begründeten Zorn verlor er nie seine Ironie. Gerade das Christentum hat ja eine schwierige Beziehung zur Ironie, aber Carl Amery verlor auch in religiösen Dingen, die ihm sehr ernst waren, nie den ironischen Blick.

Wenn ich an ihn denke, sehe ich ihn auch immer als den Vater von fünf Kindern, auf deren Können und Interessen er so stolz war wie auf seine eigenen. Und an die liebevolle Beziehung zu seiner Frau Maryjane, die er auch in ihrem Schreiben ermutigte. Carl Amery war ein Einzeldenker, doch zugleich in seinen Beziehungen ein zutiefst solidarischer Mensch, der vor großem Publikum aufzutreten wusste, aber in kleinen Gemeinschaften zu Hause war. In einer solchen Gemeinschaft haben wir uns jedes Jahr in Königsberg in Unterfranken getroffen. Gerne würde ich dort noch einmal mit ihm über die Felder gehen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Camille Saint Saens/1835 - 1921
Titel: Sonate für Fagott und Klavier op.168
* Andantino < 1.Satz > - Allegro scherzando < 2.Satz > - Molto adagio - Allegro moderato < 3.Satz >
Solist/Solistin: Rino Vernizzi /Fagott
Solist/Solistin: Pietro Spada /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Koch Europa 350209

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