Zwischenruf

von Bischof Michael Bünker (Wien)

"Der Geist des Lebens und der Geist der Zeltstädte"

Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen - mit diesen Worten beginnt ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe. Der Name Pfingsten stammt vom griechischen Pentekoste, fünfzig, denn fünfzig Tage nach Ostern, mitten im blühenden Frühling, feiern die Christinnen und Christen das Kommen des Heiligen Geistes.

Zugleich ist Pfingsten der Geburtstag der Kirche. Aus der Kraft des Geistes und deshalb mit Kreativität und Begeisterung soll sie fortsetzen, was mit Jesus begonnen hat: Das Vertrauen auf Gott, den Glauben, mit der Zuwendung zu den Menschen, mit der Nächstenliebe, zu verbinden.

Es war wohl dieser Geist, der die evangelischen Kirchen in Italien und die katholische Gemeinschaft von Sant' Egidio bewogen hat, nach neuen Wegen im Umgang der europäischen Länder mit den Flüchtlingen zu suchen. Mit den anderen Mittelmeerländern ist Italien besonders betroffen von der dramatischen Situation durch die Flüchtlinge, die zumeist in völlig unzureichenden Booten die Fahrt über das Meer auf sich nehmen, um aus Krieg und Elend in Sicherheit zu gelangen. Oft genug riskieren sie dabei ihr Leben, tausende habe es schon verloren. Mit bewundernswertem Einsatz helfen die Menschen vor Ort, wo immer solche Flüchtlingsboote ankommen, den verzweifelten Menschen. Aber so kann es nicht weitergehen. Daher haben die Kirchen in Italien vorgeschlagen, endlich legale Wege zu öffnen, auf denen Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen, in Europa um Asyl ansuchen können. Derzeit gibt es solche legalen Wege nicht, bzw. nur für eine vergleichsweise kleine Zahl von Kriegsflüchtlingen aus Syrien.

Österreich blickt auf eine lange und eindrucksvolle Tradition der Hilfsbereitschaft für Menschen auf der Flucht zurück. Ich erinnere an die Jahre unmittelbar nach dem Ende des Krieges, an die Ungarnkrise, an die Menschen, die aus der damaligen Tschechoslowakei, aus Polen, aus Vietnam, aus dem zerfallenden Jugoslawien bei uns Aufnahme gefunden haben. Immer war es der Geist der Menschlichkeit und Nächstenliebe, der das Handeln bestimmt hat. Dieser Geist ist auch heute lebendig und überall am Werk, wo Menschen vor Ort helfen, dass Asylsuchende aufgenommen werden und Unterstützung finden.

Aus diesem Geist der Hilfsbereitschaft hat die Diakonie vorgeschlagen, dass auch Österreich durch humanitäre Visa solche legalen Zugänge für besonders verletzliche Menschen auf der Flucht öffnet. Ich unterstütze diesen Vorschlag, weil ich davon überzeugt bin, dass Zeltstädte und Militäreinsätze allein keine Lösung darstellen. Freilich braucht es auch langfristige politische Bemühungen, dass die Gründe, die Menschen zur Flucht zwingen, wegfallen. Das ist unbestritten. Aber es braucht auch einen neuen Geist. Der Geist der Abschottung und der Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal verzweifelter Menschen hat mit dem Geist von Pfingsten nichts zu tun. Der Geist von Pfingsten macht Mut und befreit von der Angst. Er spricht das Herz der Menschen an, es ist ein Geist der Menschlichkeit.

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