Radiodoktor - Medizin und Gesundheit
Starstecher, Steinschneider und doctores medicinae - Ein Streifzug durch die Geschichte der Heilberufe
27. Juli 2015, 14:05
Die Entwicklung der Medizin verlief äußerst bunt und war in jeder Epoche ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Bedingungen.
Schon immer waren Gesundheit bzw. Krankheit eng mit Glaube und Religion verbunden.
Ein Gott oder mehrere unterschiedliche Götter waren es, die man im Krankheitsfall anrief, um bei ihnen Genesung zu erbitten. So sind etwa eine Vielzahl von Gesundheitssegenssprüchen - zu den unterschiedlichsten Krankheiten - überliefert. In den meisten Fällen versuchten sich die Menschen, wenn sie erkrankt waren, selbst zu behandeln: mit Kräutern, Mineralien und tierischen Substanzen. So wurde zum Beispiel die spanische Fliege, ein Mitglieder der Familie der Ölkäfer, gegen Impotenz und Nachteulenfleisch gegen Melancholie eingesetzt.
Reichten all diese Mittel nicht aus, gab es schon immer die Möglichkeit, Gesundheitsexpertinnen und -experten aufzusuchen. In der Antike waren das zum Beispiel Priesterärztinnen und -ärzte. Im Mittelalter und in der Neuzeit war eine Vielzahl von Heilkundigen für die Gesundheit der Menschen zuständig. Typische Gesundheits-"Berufe" dieser Zeit waren Zahnreißer, Hebammen und die große Zahl der Volksheilerinnen und -heiler, die Krankheiten mit allerlei Kräutern und magischen Praktiken behandelten. Auf den Marktplätzen der damaligen Zeit bot auch der so genannte Starstecher, "Spezialist" auf dem Gebiet des grauen Stars, seine Künste an. Seine Behandlung sah so aus, dass er mit einer Nadel in das Auge stach und die getrübte und kaum mehr lichtdurchlässige Augenlinse auf den Boden des Augapfels drückte - der Patient konnte wieder sehen. Eine eigene Berufsgruppe mit formal geregelter Ausbildung stellten in der frühen Neuzeit die Chirurgen dar. Diese waren damals keine Akademiker, sondern zünftisch organisierte Handwerker. Chirurgische Eingriffe wurden auch von Badern und Barbieren, sowie vom so genannten Steinschneider durchgeführt. Dessen Aufgabe war es - ohne Narkose natürlich - Harnblasensteine in einer offen durchgeführten Operation zu entfernen.
Ärzten, die an einer Universität Medizin studiert hatten, kam bis in das 18. Jahrhundert kaum eine Bedeutung zu. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlangten sie jenen Status, der ihnen schließlich in der Bevölkerung die Bezeichnung "Götter in Weiß" einbrachte.
Eine Sendung von Nora Kirchschlager.
Redaktion: Christoph Leprich
Service
Ao. Univ.-Prof.in Dr.in Elisabeth Dietrich-Daum, Historikerin und Germanistin, Universität Innsbruck, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie
PD Dr. med. Philipp Osten, Medizinhistoriker, Institut für Geschichte und Ethik der MedizinUniv.-Prof. Dr. Dr. Armin Prinz, Facharzt für Allgemein- und Tropenmedizin, Ethnologe, Kunsthistoriker, Institut für Geschichte der Medizin
Priv.-Doz. Mag. Dr. Carlos Watzka, Soziologe und Historiker, Institut für Soziologie
Mary Dobson, "Die Geschichte der Medizin: Vom Aderlass bis zur Genforschung", Verlag National Geographic 2013
Wolfgang Eckart, "Geschichte der Medizin", Verlag Springer, 6., neu bearb. Aufl. 2008
Friedemann Bedürftig, "Geschichte der Apotheke. Von der magischen Heilkunst zur modernen Pharmazie", Fackelträger-Verlag 2005
Kay Peter Jankrift, "Mit Gott und schwarzer Magie. Medizin im Mittelalter", Verlag Theiss 2005
Michael Stolberg, "Die Harnschau: Eine Kultur- und Alltagsgeschichte", Verlag Böhlau 2009
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