Salzburger Festspiele 2015

ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Cornelius Meister.
Pierre Boulez: Rituel in memoriam Bruno Maderna pour orchestre en huit groupes (1975) * Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1 D-Dur (aufgenommen am 30. Juli in der Felsenreitschule Salzburg in Dolby Digital 5.1 Surround Sound). Präsentation: Hannes Eichmann

Sie sind gute Freunde um die Mitte der 50er Jahre, Bruno Maderna, Luigi Nono, Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, John Cage. Man dirigiert wechselseitig die Musik der anderen, manchmal auch gleich gemeinsam wie bei der Uraufführung von Stockhausens "Gruppen" für Orchester 1958, an der neben dem Komponisten selbst Boulez und Maderna als die drei dafür notwendigen Dirigenten mitwirken. 1961 dirigiert Bruno Maderna die mit Stinkbomben gestörte und von der Venedig Biennale aus dennoch live im Radio übertragene Uraufführung von Nonos "Intolleranza". Man unterrichtet gemeinsam in Darmstadt, entwirft Manifeste und verwirft sich darüber. "Rituel in memoriam Bruno Maderna" von Pierre Boulez entsteht 1974 als eine Hommage und Erinnerung an die Energie, den Aufbruch, den Kampfgeist für eine zukünftige Musik für eine bessere Gesellschaft, die Klangsuche, die Raumöffnung, die Musikalität dieser Jahre, wie sie von Bruno Maderna exemplarisch verkörpert worden waren.

1972, London. Pierre Boulez ist Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra und setzt anstelle der geplanten Uraufführung eines eigenen Werks - er war nicht fertig geworden - die Komposition "Aura" von Bruno Maderna aufs Programm. Dieser ist, wie schon seit lange bevor Freund Boulez Chef wurde, regelmäßiger Gast der BBC Symphony und soll später auch wieder dirigieren und zwar die Uraufführung eines eigenen Oboenkonzerts. Aber Maderna erkrankt und stirbt im November 1973. Der Schock unter den Freunden und in der Musikwelt sitzt tief, ausgerechnet den wahrscheinlich kommunikativsten und best vernetztesten - um es in heutigen Worten zu sagen - Kollegen überraschend verloren zu haben, einen phantasievollen, eigenständigen, charismatischen Musikerfinder, der in seiner Offenherzigkeit ein so strenger Konzeptionist wie kulinarischer Hedonist gewesen war. Auch Pierre Boulez ist getroffen und gießt seine Erschütterung in das eben entstehende Werk. Es wird ein Trauerritual perkussiver Beschwörung, schon die räumlich gedachte Aufteilung der acht Instrumentengruppen mit je einem Schlagzeuger auf der Bühne ist eine Hommage an den so betont klangräumlich denkenden Bruno Maderna. Rituale erfordern Wiederholungen und so wird "Rituel in memoriam Bruno Maderna für acht Orchestergruppen" das wahrscheinlich am meisten mit Repetition von Klangschichtungen spielende Werk von Pierre Boulez. Zugleich ist es aber auch eines der rhythmisch offensten mit den in ihrer jeweiligen Zeit weiträumig voneinander unabhängigen Orchestergruppen.

Das Kleinteilige von Klängen, Motiven, Themen zu verknüpfen mit dem Weiträumigen des gesamten Werks ist eine grundlegende Konstante des Komponierens, aber seit die europäische Musik die vorgegebenen Formen hinter sich gelassen hatte, musste gewisser Maßen für jedes Werk neu eine Form so gefunden werden, dass aus genau diesem Verhältnis von Mikro- und Makrostruktur die erzählerische Kraft der Musik erwachsen kann. "Wenn man schreibt, stößt man oft, wo nicht gar immer, auf die Schwierigkeit, die Ebene der Mikro-Strukturen und die der Makro-Strukturen korrekt und frei in Dialog zu bringen, und zwar so, dass sie im Augenblick wie im Ganzen aufeinander verweisen. Mit anderen Worten: Die lokalen Ordnungen müssen unmittelbar oder durch aufeinander folgende Stufen aus einer sehr allgemeinen, ihrer Natur nach biegsamen Idee hervorgehen. Die Idee muss unmittelbarer Ausdruck des Systems sein, das System muss auf die zu verwirklichende Idee hin gesucht und gefunden werden", schreibt Pierre Boulez damals.
(Christian Scheib)

Service

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Pierre Boulez
Titel: Rituel < in memoriam Bruno Maderna > für Orchester in 8 Gruppen
Orchester: ORF Radio Symphonieorchester Wien
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 34:46 min
Label: UE LM

Komponist/Komponistin: Gustav Mahler/1860-1911
Titel: Symphonie Nr.1 in D-Dur "Der Titan"
* Langsam. Schleppend. Wie ein Naturlaut. Immer sehr gemächlich
* Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell - Trio: Recht gemächlich
* Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen
* Stürmisch bewegt
Orchester: ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 53:48 min
Label: UE LM

Komponist/Komponistin: Pierre Boulez/geb.1925
Titel: Cummings ist der Dichter, für 16 Solostimmen u.Instrumente
Orchester: Radio Symphonieorchester Wien
Leitung: Bruno Maderna
Leitung: Gottfried Preinfalk
Choreinstudierung: Gottfried Preinfalk
Chor: ORF Chor
Länge: 10:15 min
Label: UE

Komponist/Komponistin: Giovanni Gabrieli/um 1556-1612
Bearbeiter/Bearbeiterin: Bruno Maderna/1920-1973
Gesamttitel: SALZBURGER FESTSPIELE 19970804 7.Orchesterkonzert < Dolby A >
IN ECCLESIIS,Motette,bearbeitet für großes Orchester von Bruno Maderna (Applaus:0.35/Musik:8.05/Applaus:0.35/GZ: 9.15)
GZ: 1.11.25 MZ: 1.05.20
Leitung: Dennis Russell Davies
Orchester: Radio Symphonieorchester Wien
Länge: 08:04 min
Label: Suvini Zerboni/UE/Materialgebü

Komponist/Komponistin: Kurt Weill/1900 - 1950
Gesamttitel: Salzburger Festspiele 1998/GO FOR KURT WEILL Nr.3
Titel: Symphonie Nr.2
* 2. Sostenuto - Allegro molto (00:10:00)
* 3. Largo (00:09:49)
* 4. Allegro vivace (00:06:34)
Orchester: Radio Symphonieorchester Wien
Leitung: Dennis Russell Davies
Länge: 26:17 min
Label: CD Schott LM (TD50/243) (1.Cu

Komponist/Komponistin: Kurt Weill/1900 - 1950
Bearbeiter/Bearbeiterin: Stefan Frenkel /Arrangement/1902 - 1979
Titel: Sieben Stücke nach der Dreigroschenoper / bearbeitet für Violine und Klavier (Ausschnitt)
* 8. Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens / Moritat vom Mackie Messer (00:02:44)
Album: Trails of Creativity - Musik der Zwischenkriegszeit 1918 - 1938
Solist/Solistin: David Frühwirth /Violine
Solist/Solistin: Henri Sigfridsson /Klavier
Länge: 02:45 min
Label: CD Avie AV0009

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