Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Gesund bis 100 - Das größte Forschungsprojekt der Menschheit

Die durchschnittliche Lebenserwartung nimmt in den Industrieländern kontinuierlich zu. Hierzulande liegt sie aktuell bei 76,6 Jahren für Männer und 83,8 für Frauen. Zum Vergleich: Um 1900 wurden die Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt nur 40 Jahre alt und im antiken Rom lag die mittlere Lebenserwartung überhaupt nur bei knapp über 20 Jahren. Manche glauben, dass sich der Trend fortsetzen wird, wir immer älter und in ferner Zukunft auch nicht mehr sterben werden. Es sei nur eine Frage der Zeit, meinen die so genannten Immortalisten, bis die Wissenschaft das Rätsel des Alterns und Sterbens gelöst habe - und bis dahin könne man sich ja einfach einfrieren lassen, wie das etwa Ray Kurzweil, nach seinem Tod wünscht. Zurzeit schluckt der amerikanische Zukunftsforscher und Cheftechniker von Google täglich rund 100 Vitamintabletten, um so lang wie möglich gesund zu bleiben und sehr alt zu werden.
Die meisten Alternsforscher und Altersforscherinnen sind im Gegensatz zu Immortalisten wie Kurzweil nicht der Ansicht, dass der Mensch irgendwann ewiges Leben erlangen wird. Bei 120/130 Jahren ist Schluss, und das würde auch in Zukunft so sein. Weltweit geht es den Gerontologen vor allem darum, dass alte Menschen möglichst viele gesunde Lebensjahre genießen können. Die Alternsforschung konzentriert sich auf mehrere, unterschiedliche Bereiche.
Die Biogerontologie befasst sich mit den biologischen Ursachen des Alterungsprozesses und versucht herauszufinden, was auf genetischer, molekularer und zellulärer Ebene während des Alterns passiert. Eines ist klar: Je älter wir werden, desto weniger können sich unsere Zellen regenerieren. Damit stehen Tür und Tor offen für Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Alzheimer, Parkinson, Demenzen und Krebs. Nun hat man unter anderem erkannt, dass die Zellen von Mäusen, wenn man die Kalorienzufuhr um 30 Prozent reduziert, langsamer altern und die Tiere ein gesünderes, längeres Leben haben. Zurzeit wird an einem Medikament gearbeitet, dass bei normaler Ernährung dieselben molekularen Mechanismen auslöst.
Interessant ist auch, dass bereits längere Zeit bekannte Medikamente das Leben verlängern können. Die aktuellen Hoffnungsträger sind Metformin und Bisphosphonate. Es handelt sich dabei eigentlich um Medikamente gegen Diabetes und Osteoporose.
Auch das Erbgut wird untersucht. So ist es bereits gelungen, dass durch "Ausschalten" bestimmter Gene Fliegen, Mäuse und Würmer doppelt so alt werden wie normal.
Ein Teilbereich der Stammzellforschung beschäftigt sich ebenfalls mit dem alternden Körper. Das Ziel - Ersatz herzustellen, für Haut, Knorpel, Knochen und Organe.
Andere Wissenschaftler konzentrieren sich auf das alternde Immunsystem und suchen nach Mitteln und Wegen, den Funktionsverlusten der Körperabwehr Einhalt zu gebieten.
Ein weiterer Ansatzpunkt sind schließlich die so genannten seneszenten Zellen - das sind gealterte Zellen, die sich nicht mehr teilen können. Sie schütten Entzündungsbotenstoffe aus, die das umliegende Gewebe schädigen und Alters-assoziierte Krankheiten wie Alzheimer und Arteriosklerose fördern. Zumindest bei Mäusen ist es nun gelungen, solche seneszenten Zellen in die Apoptose, also den programmierten Zelltod, zu treiben. Die Folge: Diese Tiere bekamen erst viel später Alterskrankheiten wie Osteoporose, als ihre nicht behandelten Artgenossen.

Dieses Mal diskutiert Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger mit seinen Gästen über den Prozess des Alterns, was dabei passiert und welche Möglichkeiten es gibt, diesen zu verlangsamen.

Eine Sendung von Mag.a Nora Kirchschlager.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Assoc.-Prof. Dr. Johannes Grillari, Biotechnologe und Molekularbiologe, Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Biotechnologie
Univ.-Prof. Dr. Günter Lepperdinger, Molekularbiochemiker, Universität Salzburg, Abteilung für Genetik, Fachbereich Zellbiologie, Leiter der Arbeitsgruppe Regeneration, Stammzellbiologie und Gerontologie
Univ.-Prof.in Dr.in Beatrix Grubeck-Loebenstein, Universität Innsbruck, Fachärztin für Innere Medizin, Leiterin des Forschungsinstituts für Biomedizinische Alternsforschung

Karl-Franzens-Universität Graz: Alterung und Zelltod - Labor Frank Madeo
Leibniz-Institut für Altersforschung, Jena
Max Planck-Institut für Biologie des Alterns, Köln
American Society on Aging
Institute of Ageing, Newcastle University
Evercyte GmbH
Grundlagen der biologischen Alterung
Forschern gelingt Durchbruch um Kampf gegen Alter
Stammzellen - Zentral für die Langlebigkeit eines Organismus
Gesunder Lebenswandel schützt das Erbgut
Wie altern Stammzellen?
Molekulare Mechanismen der Alterung und alters-assoziierte Erkrankungen
Forscher finden Gene für ein langes Leben
Sehnsucht Unsterblichkeit: Mit Ablaufdatum
Alter als Entzündung
Tor zur Unsterblichkeit

Markus Hengstschläger, "Endlich Unendlich - Ist ewiges Leben medizinisch machbar?",
Verlag Ecowin 2008

Björn Schumacher, "Das Geheimnis des menschlichen Alterns: Die überraschenden Erkenntnisse der noch jungen Alternsforschung", Karl Blessing Verlag 2015

Rudi Westendorp, "Alt werden ohne alt zu sein: Was heute möglich ist", Verlag C.H.Beck 2015

Sendereihe