Gedanken für den Tag

von Josef Schultes, Bibelwissenschafter. "Syrien - Wiege der Religionen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Weltweit sind Menschen schockiert und betroffen, in den Tagen nach Paris. Blumen und Kerzen zeigen ihre Solidarität. Über allen Tod hinaus: Das Leben ist stärker. Damals, als ich Syrien noch bereisen konnte, war allerdings die Stimmung ganz anders, entspannt und festlich-froh.

Hunderte Menschen strömen aus der Kirche auf den Platz. Alle sind elegant herausgeputzt. Die Männer: weißes Hemd, hellgrauer Anzug, Krawatte. Die Frauen: meist im Kostüm, sehr sorgfältig geschminkt, unverschleiert. Und so viele Kleinkinder: alles weiße Rüscherl. Ohrenbetäubend schmettern die Fanfaren, es dröhnen die Trommeln. Lautstärke dominiert und Rhythmus. Der Festzug formiert sich; herzlich dazu eingeladen, schließen wir uns an.

Ostersonntag in Damaskus. Wir - eine deutsch-österreichische Gruppe auf Studienreise - vor einigen Jahren mit dabei. Die Liturgie ist lang und feierlich, in altsyrisch-aramäischer Sprache. Auch wenn wir kaum ein Wort verstehen: Die Augen der Menschen leuchten, ihre Freude ist echt und ansteckend.

Wir haben die Messe in der syrisch-katholischen Kirche mitgefeiert; nahe beim Bab Scharqi, dem Osttor in der hohen Altstadtmauer. Hier endet die gerade Straße, und hier soll auch das Haus des Hananias gewesen sein. Eine Ebene tiefer liegt ein alter christlicher Sakralraum. Dort lesen wir das sogenannte "Damaskus-Erlebnis" des großen Reiseapostels Saulus. Der Evangelist Lukas beschreibt es mehrmals in seiner Apostelgeschichte. Am Schluss der ersten Erzählung heißt es: "Hananias legte Saulus die Hände auf und sagte: 'Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt - Jesus, der auf dem Weg hierher dir erschienen ist. Du sollst wieder sehen und mit Heiligem Geist erfüllt werden'. Sofort fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er sah wieder; Saulus stand auf und ließ sich taufen" (Apg 9,17f).

Ob er nun hebräisch Saulus oder lateinisch Paulus genannt wird: Seine Gottesbegegnung wirkt für mich bis heute. Sein Schlüsselerlebnis prägt auch mein Leben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Glaube so tiefe Wurzeln hat. Sie reichen zurück bis nach Syrien, in diese "Wiege der Religionen". Und bis zu jenen Menschen, denen Paulus sein Christ-Werden verdankt. Denn in Antiochien am Orontes, dem heutigen Antakia, nannte man - wie die Apostelgeschichte (Apg 11,26) schreibt - "die Jünger Jesu zum ersten Mal Christen."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wadih El - Safi
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Traditional
Gesamttitel: ORIENTALISCHER KIRCHENGESANG - SOEUR MARIE KEYROUZ
Titel: Arrabou bini'amihi zayyanaki (Gott überschüttet dich mit seiner Gnade)
Solist/Solistin: Soeur Marie Keyrouz S.B.C. /Gesang m.Begl.
Ausführende: L' Ensemble de la Paix
Länge: 02:00 min
Label: Harmonia mundi HMC 901577

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