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Zwei Welten. Zwischen Skitourismus, Klimawandel und der Einsamkeit der Berge: Die Nachbargemeinden Ischgl und Galtür, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Feature von Gerald Navara.

Ischgl und Galtür: Die beiden Nachbargemeinden befinden sich im hintersten Paznauntal, unterhalb der Silvretta. Lange Zeit waren sie abgeschieden von der Welt. Wegen der Armut wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts die sogenannten Schwabenkinder in die Fremde verschickt. Man lebte vom Schmuggel über die nahegelegene Schweizer Grenze. Doch dann bahnte sich ein Wunder an. Der Alpintourismus hatte die Silvretta entdeckt, und bereits in den 1920er Jahren fanden sich Persönlichkeiten wie Ernest Hemingway, Albert Einstein und Karl Popper ein.

Die 1960er Jahre markieren einen Wandel der beiden Nachbarortschaften, die bis zu diesem Zeitpunkt ähnliche Wege eingeschlagen hatten: 1962 wurde in Ischgl der erste Schilift errichtet - und damit begann eine Tourismus-Revolution. Heute hieven 45 Lifte in einer Stunde über 90.000 Schitourist/innen hinauf auf den Berg. Viermal so viele Gästebetten wie Einwohner/innen zählt das "Dorf", in dem man stolz ist auf Rolltreppen und Personenförderbänder, die sogar den Dorfplatz erschließen. Alles autofrei und eingekreist von vielstöckigen Hotelbauten, Discos und Bars. Der Zukunft blickt man gelassen entgegen. Das Paznaun liegt so hoch, dass ihm der Klimawandel immer mehr Schneehungrige zutreiben wird.

Galtür hingegen verwehrt sich dieser Entwicklung. "Wir wollen kein Remmidemmi" hört man mehrfach von den Dorfleuten. Das Dorfzentrum wird von der Barockkirche bestimmt, nicht von Hotelburgen. Schilifte gibt es hier auch, aber sie liegen weit außerhalb der Gemeinde. Das stillere Galtür wird zum Synonym für eine der größten Lawinenkatastrophen, als 1999 eine Staublawine über dreißig Tote fordert. Trotzdem ist von den Galtürern niemand abgewandert. "Die Menschen hier haben sich immer der Herausforderung durch den Berg gestellt" sagt der Besitzer eines kleinen Gästehauses, der seine Mutter und die schwangere Ehefrau verloren hat und der genau dort, wo sein altes Haus stand, neu gebaut hat. Das Trauma scheint überwunden und sogar die Tourist/innen, die die Katastrophe erlebt haben, kommen immer wieder.

Redaktion: Eva Roither

Sendereihe

Gestaltung

  • Gerald Navara