Radiokolleg - Nationalismus in Ostmitteleuropa

Ein politischer Befund (2). Gestaltung: Brigitte Voykowitsch

"Polen den Polen" war eine der Parolen, die bei den Feiern am 11. November 2015, dem polnischen Unabhängigkeitstag, wieder deutlich zu vernehmen war. Kurz zuvor hatte Polens nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc - PiS) den größten Wahlsieg ihrer Parteigeschichte errungen. Polen folgt dem ungarischen Weg, diagnostizierten daraufhin manche Analyst/innen.

Nicht nur aus diesen beiden Staaten, sondern auch aus anderen ostmitteleuropäischen Ländern erklangen zur gleichen Zeit ausländerfeindliche Parolen, die sich besonders auch gegen die Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten richten. Doch auch in Westeuropa - jüngst wieder in Frankreich - sind rechtskonservative Kräfte erstarkt. In Großbritannien und in den Niederlanden wachsen die Ressentiments gegen Brüssel. Inwiefern ist es also zulässig, von einem Sonderweg Ostmitteleuropas - also Ländern wie Polen, Ungarn, Tschechien oder der Slowakei - zu sprechen? Inwiefern unterscheiden sich diese Länder, die nach der Wende massive Transferleistungen aus der EU und vom IWF erhielten, weiterhin vom Westen?

Fest steht: Vieles sieht aus ostmitteleuropäischer Perspektive anders aus - oder besser gesagt - aus ostmitteleuropäischen Perspektiven, denn sowohl in wirtschaftlicher und innenpolitischer Hinsicht als auch in ihren außenpolitischen Interessen unterscheiden sich diese Länder stark voneinander. Die Entwicklungen sind überall anders gelaufen, überall lassen sich andere, historisch begründete Antagonismen mobilisieren. Zugleich verbindet diese Länder die Erfahrung jener, die später zur EU gestoßen sind und - ob zu Recht oder Unrecht - den Eindruck haben, dass ihre eigenen Interessen innerhalb der EU nicht hinreichend zur Kenntnis genommen werden.

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