Satiesfiktionen

Eine Hommage an Erik Satie zum 150. Geburtstag. Gestaltung: Hans Georg Nicklaus und Nikolaus Scholz

In einem Aufsatz Saties, mit dem Titel "Was ich bin", lautet der erste Satz: "Jeder wird ihnen sagen, daß ich kein Musiker sei. Das stimmt. ... Meine Arbeiten sind reine Phonometrik."

Ist das Polemik, Zynismus oder schlicht der Versuch, allen Kritikern von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen? Vielleicht von allem etwas. Vor allem aber kommt es von einem Mann, der sich zwar seines kompositorischen Handwerks manchmal unsicher, aber seines ästhetischen Konzepts äußerst sicher ist.

Selbstbewusst, beißend, ironisch, zynisch zieht er gegen die Gilde des deutschen Tiefsinns und seiner französischen Gefolgschaft zu Felde, gegen die große Kunst der musikalischen Romantik, der Wagnerianer oder "Neudeutschen Schule", gegen die französische "Nationalmusik" ebenso wie gegen die Verehrer Debussys. Satie lehnt jede "hohe Schule" ab und setzt dagegen eine zuweilen archaisierende Schlichtheit. Das Normale, Alltägliche, Beiläufige, Abgewertete ist der Stoff, aus dem er seine "Klangmessungen" gemacht sind. Das konstatierte dieser Franzose aus kleinen Verhältnissen, und der sich als Barpianist durchschlägt, bereits im frühen 20. Jahrhundert.

Erik Saties umfangreiches literarisches Werk - Aufsätze, Reden, Sentenzen, Bemerkungen zu seiner Musik, teilweise in den Notentext hineingeschrieben - ist ebenso scharfsinnig wie irritierend. Dass sich bis heute im deutschsprachigen Raum beinahe nur eine einzige Forscherin, nämlich die 2011 verstorbene Grete Wehmeyer, intensiv dem Werk Saties gewidmet hat, ist verwunderlich, vielleicht aber auch symptomatisch. Sitzt der Pfeil vielleicht doch noch tiefer, als es der deutschen Musikwissenschaft und Musikrezeption bewusst ist? Pfeile, die Satie schon vor dem ersten Weltkrieg abschießt, als er etwa höhnt, dass er Musik "ohne Sauerkraut" wolle.

Erik Satie ist im besten Sinne des Wortes ein lustvoller Querdenker, ätzend in Wort und Ton, dabei zugleich auch inspirierend und prägend für eine ganze Generation von Surrealisten bis hin zu John Cage im späten 20. Jahrhundert.

Service

Grete Wehmeyer: Erik Satie. Rowohlts Monographien, Reinbek 2005.

Grete Wehmeyer: Erik Satie. Bosse Verlag, Kassel 1974 / Neuauflage: 1997

Ornella Volta (Hg.): Erik Satie. Schriften. Wolke Verlag, Hofheim 1988, 3. Auflage 1997 (übers von Silke Hass).

Ornella Volta: Satie / Cocteau. Eine Verständigung in Missverständnissen. Wolke Verlag, Hofheim 1994 (aus dem frz. übersetzt von Gerda Kneifel und Silke Hass).

Jean-Pierre Armengaud: Erik Satie. Verlag Fayard, Paris 2009.

Caroline Potter: Erik Satie. A Parisian Composer and his World. Boydell Press, Woodbridge 2016.

Annabelle Goergen: Der Kunst eine lange Nase zeigen". Die Arts incoherents (1882-1893): Eine vergessene 'inkohärente' Kunst mit Zukunft. In: Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Bd. 31, N3. 3 (2003), Jonas Verlag, Marburg.

Kunst und Anarchie by con1rail. Ein Versuch zum Thema Kunst und Anarchie "bibliothek der freien" / berlin

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