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Hans Werner Henze wäre 90 - eine Hommage

Morgen wäre der deutsche Komponist Hans Werner Henze 90 Jahre alt geworden. Henze war als Künstler und Mensch kaum einzuordnen - ein Freigeist, der zwischen allen Stühlen saß: politisch, ästhetisch und als Weltbürger. Als junger Soldat erlebte der am 1. Juli im westfälischen Gütersloh geborene und vor 4 Jahren verstorbene Komponist Deutschland unter dem Hakenkreuz. Eine traumatische Erfahrung, die ihn Zeit seines Lebens verfolgte.

1953 verließ Henze das ungeliebte Adenauer-Deutschland in Richtung Italien, um dort ein neues, in seinem Sinne freies und selbstbestimmtes Komponisten-Leben zu beginnen. Es war auch die Abkehr von einer konservativen und intoleranten Gesellschaft, in der ein homosexueller Künstler wie Henze keine wirkliche Heimat finden konnte.

Mit der Dichterin Ingeborg Bachmann verband Henze eine innige, geschwisterliche Arbeits- und Lebensbeziehung, die seiner Musik starke Impulse gab. So entstand die Oper "Der Prinz von Homburg" auf ein gemeinsam verfasstes Libretto, die ein großer Erfolg wurde. Henze wurde über Nacht ein Star, ein Liebling des Konzert- und Opernbetriebes. Argwöhnisch von der musikalischen Avantgarde seiner Zeit beobachtet und bespöttelt, da er Belcanto und die Klangsprache der klassischen Moderne leidenschaftlich miteinander verknüpfte.

Henze entdeckte das italienische "dolce vita" als Kraftquelle für seine ästhetische Entwicklung. Neben der Literatur und dem unbeschwerten mediterranen Leben, faszinierten ihn Kunst, Politik und der neorealistische Film.

In Henzes großem Werkkatalog finden sich gerade einmal sieben Arbeiten für den Film, subtile Miniaturen, darunter Arbeiten, die zwar im Kontrast stehen zu seinen abendfüllenden, opulenten Opern wie "Die Bassariden" oder "We come zu the River", aber unverkennbar Henzes Handschrift tragen.

1963 bat ihn der französische Filmregisseur Alain Resnais um Musik für seinen Film "Muriel". Später folgten Arbeiten für Volker Schlöndorff, darunter die Musik zu den Filmen "Der junge Törleß" und "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Auch wenn Henze immer dem klassischen Konzertbetrieb und der Oper treu blieb, war sein Flirt mit der Filmkunst ein anregender Ausflug in eine Parallelwelt subtiler Klangarbeit.

Anfang der der 1970er Jahren wurde die Bundesrepublik Deutschland vom bewaffneten Kampf der RAF erschüttert. In diesem bleiernen Klima von terroristischer Gewalt und staatlicher Gegengewalt, schrieb Heinrich Böll seinen Roman "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Höchste Zeit für ein künstlerisches Alarmsignal, befand damals auch Regisseur Volker Schlöndorff, der den Böll-Roman für den Film adaptierte. So alarmierend wie dieser Film sollte auch die Musik von Hans Werner Henze sein.

Hans Werner Henzes Engagement für die politische Linke, gespiegelt u.a. in einem Kuba-Aufenthalt Ende der 1960er Jahre und im Skandal der gescheiterten Hamburger Uraufführung des Oratoriums "Das Floß der Medusa" vom Dezember 1969, war ein weiterer Mosaikstein im Leben des rastlosen Künstlers. Denn parteipolitisch ließ er sich kaum vor den Karren spannen, wenn er auch Mitte der 60er Jahre Wahlkampf für Willy Brandt machte.

Im fortgeschrittenen Alter allerdings verblasste Hans Werner Henzes politisches Engagement, bedingt auch durch die Erfahrungen mit dem real existierenden Sozialismus: Der Einmarsch des Warschauer Paktes in Prag und die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann aus der DDR dämpften Henzes Euphorie für eine bessere Welt sozialistischer Prägung. Seine "Gebrauchsmusik", maßgeblich die Film- Arbeiten für Volker Schlöndorff, sind aber Zeugnisse eines engagierten Zeitkünstlers, der aus seinem römischen Wahl-Heimat stets mit Unbehagen Richtung Deutschland blickte. Hans Werner Henze galt im West-Deutschland der 70er Jahre als "linker" Künstler, mit wenigen Freunden im deutschen Klassikbetrieb.- Gestaltung: Sven Ahnert

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