Leporello

Historischer Kampf gegen den Müll: Buch "Dirty Old London"

Zwischen 1801 und 1901 war London sprunghaft von einer auf sechs Millionen Menschen angewachsen. Mit ein Grund dafür, dass ihr der Ruf als unhygienischste Stadt Europas nacheilte. London war, wie der chinesische Botschafter nach einem Aufenthalt 1899 lakonisch bemerkte, "zu dreckig." Eine paradoxe Situation, galten die Viktorianer doch als Protagonisten des liberal-aufgeklärten Fortschritts schlechthin. Mit der modernen Statistik im Gepäck, wurde die "Öffentliche Gesundheit" als eigene Wissenschaft etabliert und Reinlichkeit zum zivilisatorischen Gradmesser erhoben. Während der Regentschaft Königin Victorias waren ambitionierte Reformen und Baumaßnahmen in Angriff genommen worden, um den hygienischen Problemen der wachsenden Stadt zu begegnen.

Allem voran der Bau des gigantischen Londoner Abwassernetzes, der einige gravierende Probleme der Stadt zumindest graduell löste, während andere schlicht ignoriert wurden oder Reformen scheiterten. Eine klebrige Paste aus Straßenstaub und dem Mist der 300.000 Arbeitspferde Londons bedeckte die Makadamstraßen. Ab 1850 begannen die Friedhöfe regelrecht überzuquellen, in Seitengassen und privaten Abfallbehältern türmte sich faulender Müll und permanent rieselten russige Flocken durch verpestete Luft auf die Stadt herab.

Warum London am Ende des Jahrhunderts trotz aller Reformbestrebungen immer noch knöcheltief im eigenen Dreck stand, und welche der damaligen Probleme ihre langen Schatten bis in die Gegenwart werfen, ist der britische Kriminalautor und Stadthistoriker Lee Jackson in seinem minutiös recherchierten und oft überraschenden Buch "Dirty Old London - The Victorian Fight Against Filth" nachgegangen.- Gestaltung: Roman Tschiedl

Service

Kostenfreie Podcasts:
Leporello - XML
Leporello - iTunes


Lee Jackson: Dirty Old London - The Victorian Fight Against Filth
Yale University Press, 2014/2015
304 S., 40 S/W Illus.

Sendereihe