Gedanken für den Tag

16. Juli 2016, 06:56

Der anspruchsvolle Weg bergauf ist dem Kind aus der Großstadt entschieden zu weit und zu anstrengend. Genervt schlägt es vor, endlich kehrt zu machen. Bis zum Talschluss werde es leider noch wandern müssen, wird ihm von den Eltern beschieden, worauf es mit gerunzelter Stirn wissen will, was das denn bitte sein soll, ein Talschluss. Wo das Tal aus ist, erklärt die Mutter, ist der Talschluss. Schluss aus amen.

Wieso heißt es dann Gipfel und nicht Bergschluss? fragt das Kind jetzt und verkündet: Wo der Berg aus ist, ist der Bergschluss. Schluss aus Ende amen. Dabei imitiert es die Sprachmelodie der Mutter und setzt, so gut es geht, auch ihr Gesicht auf.

Seine schlechte Laune ist mit einem Mal verflogen. Vergnügt registriert das Kind, wie auch die Mienen der Eltern sich aufhellen.

Wo das Tal aus ist, ist der Rapfel, lässt die Mutter sich jetzt vernehmen.
Der wer?
Der Rapfel. Wenn du mir den Bergschluss verkaufen willst, verkaufe ich dir den Rapfel. Rapfel wie Gipfel.
Es gibt keinen Rapfel, entscheidet das Kind.
Wie es keinen Bergschluss gibt.
Aber warum gibt es keinen Bergschluss, wenn es einen Talschluss gibt?

Ja, warum gibt es eigentlich keinen Bergschluss? fragt sich da auch der Vater. Wahrscheinlich, weil Schluss nicht nur aus und vorbei bedeutet. Ursprünglich kommt das Wort wohl von schließen, und mit dem Tal ist es wie mit einer Tür, die man langsam schließt. Der Spalt wird enger und enger, irgendwann ist sie zu.
Der Türschluss, pflichtet die Mutter bei und setzt ein ernsthaftes Gesicht auf.
Das Türschloss, prustet das Kind, zieht die Schultern hoch und presst seine kleinen Hände an den Mund.

Das Luftschloss, sagt die Mutter und tippt mit dem Finger auf die Kindernase.
Schluss jetzt! Aber er meint es nicht ernst, der Vater.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler