Leporello

Sommerreprisen: Der blinde Tierstimmensammler Thomas Brunner

Der 90jährige Thomas Brunner ist blind, aber noch besser passt auf ihn eine andere Bezeichnung: er ist ein Meister des Hörens.

Leporello trifft Herrn Brunner und seinen Hund Julie im burgenländischen Seewinkel, einem Paradies für Vogelkundler.Eigentlich ist Thomas Brunner in Illmitz auf der Suche nach einer besonders schön singenden Nachtigall. Weil es jedoch in der Nacht einen großen Kälteeinbruch gab, sind die Nachtigallen ob der eisigen Temperaturen (zunächst) beleidigt verstummt.

Leporello lauscht stattdessen Brunners Hörgeschichten - und erfährt, was ihm die Bäche seiner Heimat Kärnten schon in jungen Jahren erzählt haben, und dass auch erstarrtes Wasser eine Sprache hat: Eine schöne Tonaufnahme machte Thomas Brunner vom Wachsen des Eises am Ossiacher See.

In seinem Berufsleben war Thomas Brunner Bediensteter bei der Bundesbahn. Privat legte er sich schon einmal mit den Kärntner Ordnungsmächten an: So zog er mit seiner (inzwischen verstorbenen) ebenfalls blinden Frau eine Tochter groß - und zwar gegen die Einwände eines bornierten Umfelds, das damals, in den Siebziger Jahren, kein Verständnis für blinde Eltern hatte. Aber nicht nur gegenüber vorgeblicher Fürsorge, auch vor Wächtern der Natur hegt Brunner keine übermäßig große Ehrfurcht.

Das Tierstimmenarchiv des Thomas Brunner ist enorm umfangreich: schon in den 60erJahren ging er mit Mikrofonen auf die Pirsch: nach Auerhähnen, Lerchen und Drosseln, Grasmücken, Meisen, Rot-Schwarz-, Braun- und Blaukehlchen, Nachtigallen u.v.a.m. Die Frage, welche Emotionen die geglückte Aufnahme eines Singvogels in ihm wecke, beantwortet er so: "Dankbarkeit über das Geschenk des Zufall."

Und ein Zufall muss es dann wohl auch sein, dass sich eine Nachtigall zu einem Pfeif-Duett mit dem blinden Vogelkundler einfindet. (Whg.v.6.5.16) - Gestaltung: Christa Eder

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