Gedanken für den Tag
von Michael Chalupka, Direktor des evangelischen Hilfswerks Diakonie. "Welttag der humanitären Hilfe". Gestaltung: Alexandra Mantler
18. August 2016, 06:56
Türkei
Wir treffen Asyr in der kleinen Wohnung ihrer Tante Gazale im Stadtteil Barla in Diyarbakir, im Süden der Türkei rund 150 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Asyr hat ihren fünf Monate alten Sohn auf dem Arm und ihre Tochter dabei. Sie hört zu, während die Tante erzählt, von der Flucht aus Aleppo, dem Leben hier als Witwe mit zehn Kindern. Gazale weint, als sie sagt: "Die Mühen nehme ich nur für meine Kinder auf mich. Manchmal würde ich am liebsten nach Syrien zurückkehren, aber ich will, dass meine Kinder in Sicherheit leben."
Asyr ist jünger, vielleicht 25 Jahre alt, sie wirkt selbstbewusst. Ihr Mann ist Elektriker. Er arbeitet, erhält aber nur noch die Hälfte des Lohns, den er in Syrien verdient hat. Umgerechnet etwa 60 Euro im Monat. "Und wenn ihm etwas passiert? Wenn er krank wird oder einen Unfall hat?", fragt Asyr.
Offiziell haben syrische Flüchtlinge in der Türkei einen Status als sogenannte Gäste, der ihnen - zeitlich begrenzt - Schutz und Zugang zu sozialen Leistungen, medizinischer Versorgung und Schulbildung gewährt. Eine offizielle Arbeitserlaubnis hat Asyr noch nicht. Das heißt, die meisten arbeiten inoffiziell, stehen in großer Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern und haben keinerlei Sicherheiten. Es ist keine Seltenheit, dass Löhne nicht gezahlt werden oder niedriger ausfallen als vereinbart. Die Einkünfte der Familien sind ohnehin sehr gering.
Asyr und Gazale werden daher von der türkischen Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe mit Geldkarten unterstützt. Mit diesen können sie selbstbestimmt und würdevoll in kooperierenden Supermärkten Nahrungsmittel und Hygieneartikel wie Waschpulver einkaufen. Luxusartikel wie Alkohol, Süßigkeiten, Zigaretten oder Parfüm können nicht mit der Geldkarte bezahlt werden. "Das ist eine große Hilfe für unser tägliches Überleben", sagt Asyr. Aber langfristig wünscht sie sich mehr Perspektiven: "Wir sind wie Bäume ohne Blätter. Wir können unseren Kindern hier keine Zukunft bieten."
Service
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Titel: GFT 160818 Gedanken für den Tag / Michael Chalupka
Länge: 03:45 min
Komponist/Komponistin: David Savcic
Gesamttitel: BALKAN CONNECTIONS
Titel: The Old Turkish Quarter
Länge: 02:00 min
Label: KPM 448 CD