Land und Laute

Akustische Attacken aus Österreich: Die Seele des Fußballs, Weststadion, Wien

Die Seele des Fußballs jubelt, pöbelt, singt und klagt von den Stadionrängen. Sie fassen die Besucherinnen und Besucher zu einer vielgliedrigen Masse: Ultras, schal- und fahnenschwingende Supporter, Schönwetterfans, Väter mit ihren Söhnen, Familien. Dann noch die kleine Gegenmasse der zum Auswärtsspiel mitgereisten Fans der Gastmannschaft. Wo die Wechselwirkung zwischen dem sportlich-akustischen Geschehen auf dem Spielfeld und den Tribünen fehlt, wenn der Fußballverband die Sanktion eines Geisterspiels ohne Publikum verhängt hat, verkommt selbst das spannendste Duell charakterlich zum Trainingsmatch: Stille ist der Tod des Fußballs.
Der Verschmelzungsprozess sozialer Atome zum Kollektiv beginnt bereits auf dem Weg zum Match. In den Straßen, Bussen, Straßen- und U-Bahnen Richtung Arena ballen sich Menschentrauben in der Anspannungsenergie vor dem Anpfiff, die sich nach dem Einlass in die Flutlichtkathedrale konzentriert, ja potenziert. Stimmen verdichten sich zu Chören mit einem Repertoire an Schlachtgesängen: Choräle ritueller Anfeuerungen und Schmähungen des Gegners (und sei es der abwesende ewige Rivale). Kollektive Intelligenz und kollektive Dummheit koexistieren auf faszinierende Weise im Kriegslärm jenes Schwarms, der seinerzeit Elias Canetti in Nachbarschaft zum Rapid-Spielplatz auf der Pfarrwiese zu "Masse und Macht" inspirierte, wo das immaterielle Wiener Kulturerbe der accelerando eingeklatschten Rapidviertelstunde geschaffen wurde.

Eine Sommerserie in Kooperation mit der "Hörstadt Linz".

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