Radiokolleg - Die Mundharmonika

Musik aus der Hosentasche (2).
Gestaltung: Gudrun Braunsperger

Das Instrument von der Größe eines Kamms und dem Gewicht eines Smartphones taugt zum musikalischen Zeitvertreib: Um sich selbst und andere zu unterhalten war die Mundharmonika beliebt und verbreitet, als man Musik noch selbst machen musste, um sie zu genießen. Das Instrument hatte in sozialen Milieus, in denen wenig mehr war, seinen festen Platz. Denn die Mundharmonika ist handlich, Teil der beweglichen Habe, die man, ebenso wie ein Schnupftuch, Tabak oder Pfefferminzbonbons, in einer Hosentasche aufbewahren kann. Im fernen Osten war diese Miniaturausgabe eines Blasinstruments schon lange bekannt, nach Europa gelangte es erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Matrosen verbreiteten es schließlich in alle Welt: Um 1900 war es das meistverkaufte Musikinstrument.

Die Mundharmonika ist aber mehr als ein volkstümliches Instrument: Mit ihrem selbstbewussten, einzigartig metallisch-schrillen Ton, mit dem sich nichts desto trotz ein nuancenreicher Klang erzeugen lässt, hat sie ihre musikalischen Artverwandten der Musik aus Hosen- und Rocktaschen, etwa die Maultrommel, an Popularität überholt und als Bluesharp in Jazz und Blues Karriere gemacht. Das finnische Quartett Sväng hat mit allen Vorurteilen gegenüber diesem Instruments aufgeräumt: Mundharmonika-Musik kann musikalische Avantgarde sein. Auch klassische Orchestermusik lässt sich damit Platz sparend, aber nichts desto weniger eindrucksvoll musizieren: ein berührendes Beispiel ist das Ramat Gan Youth Harmonica Orchestra, begründet vom Mundharmonika-Virtuosen Shmuel Gogol, der sein Überleben in Auschwitz der Kunst auf diesem Instrument verdankte und damit Generationen von jungen Menschen in einer sozialen Brennpunkt-Schule im nördlichen Israel an die klassische Musik herangeführt hat. Die Mundharmonika hat sogar Filmgeschichte geschrieben: Der atmosphärische Einstieg zu Sergio Leones Italowestern "Spiel mir das Lied vom Tod" geschieht zur Melodie eines Mundharmonikaspielers, eine dramatische Szene, der der Filmklassiker u.a. seinen Kultstatus verdankt.

Service

Stephan Rausch
Isabella Krapf
Harmonikazentrum Graz
Steirisches Volksliedwerk
Hohner
Deutsches Harmonikamuseum

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Volksweise
Titel: Frisch und munter /Landler
Ausführende: Rittner Buam, Klobenstein /Ritten, Südtirol
Ausführende: Franz Muhr /Mundharmonika, Franz Kofler, Okarina, Karl Unterhofer, Gitarre
Länge: 01:26 min
Label: Bogner 1536

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