Leporello

Die Polarforscherin Birgit Sattler

Man muss sich das Paradies als eine Welt aus Eis vorstellen, wenn man Birgit Sattler zuhört. Seit vielen Jahren unternimmt die Limnologin und Polarforscherin ausgedehnte Reisen in die Antarktis, wo sie monatelang unter extremsten Bedingungen Mikroorganismen im Eis sucht: winzige Spuren von Leben, die Aufschluss über die Entstehung und Entwicklung unserer Erde geben.

"Eis.Leben" heißt das bei Tyrolia erschienene Buch von Birgit Sattler, in dem sie von ihrer jüngsten Reise zum Südpol erzählt: "Ich setzte mich auf das Eis, mitten in das Weiß, das manche Menschen als das Nichts bezeichnen. Dieses Nichts ist der Nabel, um den sich während unseres Aufenthalts alles dreht. Wunderbare Eisgebilde starren mich an, bizarre Muster, wie feinste Spitzen oder filigrane Tuschzeichnungen auf dünnem Papier. Das Eis der Antarktis beginnt zu sprechen."

Das "sprechende Eis", das sind für die Wissenschaftlerin Proben aus der Tiefe und Sedimente von der Oberfläche der Gletscher. Die Spuren sind älter als die Menschheitsgeschichte. Denn die Antarktis war nicht immer kalt. Vor Jahrmillionen war sie Teil von Gondwanaland, dem vegetationsreichen Kontinent auf der südlichen Hemisphäre. Mit etwas Glück finden sich heute versteinerte Baumreste und Einzeller aus jener Zeit, und sogar offene Seen liegen unter kilometerdickem Eis begraben. Ein Partikel dieser Urlandschaft, das durch Sonneneinwirkung auf das Eis einst von einem dünnen Wassermantel umhüllt wurde, kann seine Lebenskraft konservieren. Wird es aufgetaut, erwacht es zu neuem Leben

In ihrem Buch "Eis.Leben" schreibt Birgit Sattler aber nicht nur über ihre naturwissenschaftlichen Forschungen; sie schildert auch eindrücklich, wie das Eis ihre Seele verändert hat. Nirgendwo sind Emotionen so tief wie an dieser Extremposition der Erde. Die Gefühlspalette reiche von Verzweiflung bis zur Gewissheit, alles schaffen zu können. Sie kennt die Euphorie beim Anblick des glitzernden Eises - und das Gefühl der absoluten Verlorenheit in der weißen Wüste. Neben den Gefahren im eisigen Nichts offenbart sich indes an ruhigen Tagen eine wahre Wunderwelt, gut sichtbar - und eindrucksvoll hörbar

Zu den ersten zehn Menschen, die den Südpol betraten, zählte Robert Falcon Scott. Der britische Polarforscher erreichte die Arktis am 18. Jänner 1912 - mit der bitteren Erkenntnis, dass der norwegische Seemann Roald Amundson ihm um einen Monat zuvorgekommen war. Auf dem Rückweg zum Basislager erfroren und verhungerten Scott und seine vier Begleiter. Birgit Sattler stand vor den letzten Lebensspuren der Pioniere - in einer Hütte, die im Eis die Zeit überdauerte.

Birgit Sattler stammt aus einer Tiroler Bergsteigerfamilie. Als Kind hörte sie die Erwachsenen vom Mythos der blauen Blume erzählen. Diese wachse "irgendwo da draußen", hieß es. Heute weiß die Forscherin, was es wirklich bedeutet, diese blaue Blume zu finden (Whg.).- Gestaltung: Christa Eder

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Das Buch "Eis.Leben" von Birgit Sattler ist im Tyrolia Verlag Innsbruck erschienen

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