Gedanken für den Tag

von Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien. "Worauf es ankommt". Gestaltung: Alexandra Mantler

Selige Zeiten, brüchige Welt

Vor vielen Jahren hat der Schriftsteller Robert Menasse ein Buch geschrieben: "Selige Zeiten, brüchige Welt."

Ein Titel, der seither oft in mir nachklingt. Dann, wenn ich die Geschehnisse in unserem Land, in Europa und weltweit am Display meines Handys oder in den Nachrichten verfolge. Rekordarbeitslosigkeit und Brexit. Kriege in Syrien und der Ukraine. Trump und Orban. Eine Krise der Finanz und eine des Vertrauens. Ganz so, als hätten die seligen Zeiten Brüche bekommen.

Vielleicht ist auch das ein Grund, warum wir gerade jetzt glauben, unsere geographischen Grenzen wieder so hartnäckig verteidigen zu müssen: Ganz einfach, weil sich andere Grenzen verschoben haben.

Schwindendes Vertrauen in die Wirtschaft. Wachsendes Misstrauen gegenüber politischen Eliten. Die Folge: Nicht nur an den Grenzen, auch andernorts werden hohe Zäune errichtet. Wer seine Facebook-Timeline mit jener anderer Menschen vergleicht, stellt oft fest, wie wenig die eigene gefühlte Wirklichkeit noch mit jener anderer Menschen zu tun hat. Dieselben Menschen, die vor Parallelgesellschaften warnen, flüchten sich häufig in Parallelöffentlichkeiten. Argumentative Zäune, Polemik und oft auch verbaler Hass und Gewalt. Für die Argumente des anderen nicht mehr erreichbar.

Kardinal König prägte einst das Wort: Wir leben auf einer Insel. Früher hieß diese Insel Österreich, dann Europa und heute umfasst sie die ganze Welt. Mit der Digitalisierung wurde diese eine Welt greifbar. Was einst weit weg war, ist plötzlich ganz nah. Und wie wir hier leben - das Essen auf unseren Tellern, die Kleidung, die wir tragen und die seltenen Erze in unseren Smartphones - all das ändert auch das Leben von Menschen an weit entfernten Orten.

Ja, das ist fordernd. Auch für mich. Und doch sehe ich die Chance, dass auf eine Globalisierung der Märkte auch eine Globalisierung des Verantwortungsgefühls folgen kann. Ganz einfach, weil auch die Einsicht greifbarer wurde, dass diese Welt letztlich ein Dorf ist - ein Dorf, in dem wir uns als gute Nachbarn erweisen können. Ein Dorf, in dem wir auch für unsere Nachbarn da sein sollen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann/1681 - 1767
Album: TELEMANN: Suite, 2 Doppelkonzerte
* Largo - 1.Satz (00:03:59)
Titel: Konzert für Blockflöte, Fagott, Streicher und Continuo in F-Dur
Solist/Solistin: Michala Petri /Blockflöte
Solist/Solistin: Klaus Thunemann /Fagott
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Iona Brown
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4100412

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