Andreas Gabalier

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Spielräume - Nachtausgabe

Musikalischer Kitsch: Trivial oder (manchmal auch) genial? Gestaltung: Klaus Wienerroither

Der Schlagersänger, dessen Name mir partout nicht einfallen will, hat einmal in einem Interview gesagt: "Meistens ist es Kitsch, was ich mache. Aber wertvoller Kitsch."

Nur wenige Begriffe sind so unklar und umstritten. In der Musik wird am ehesten der volkstümliche Schlager mit diesem Wort in Verbindung gebracht, aber viele Musikliebhaber/innen wenden die Beschreibung eines "minderwertigen, sehnsuchtsartigen Gefühlsausdrucks" auf alle möglichen Arten von Musik an. Die Schwierigkeit, Kitsch zu definieren, zeigt sich nicht zuletzt in der "Unübersetzbarkeit" des deutschen Wortes. Britische Übersetzer zählten Kitsch zu den zehn am schwierigsten zu übersetzenden Begriffen.

Die Gäste dieser "Spielräume - Nachtausgabe" diskutieren über eine mögliche Definition und darüber, ob Kitsch Kunst sein kann und darf. Nicht zuletzt präsentieren sie jede Menge "guilty pleasures", die selten oder nie auf Ö1 zu hören sind.

Adorno: "Kunst impliziert Kitsch

Seit 1881 ist das Wort belegt, als abwertende Bezeichnung für Kunst, die deshalb nicht mehr Kunst genannt werden durfte. Wenn Kitsch von "Verkitschen" kommt, dann war es schnell gemalte Kunst, die leicht verkauft, verscherbelt, eben: verkitscht werden konnte. Und doch: "Kunst impliziert Kitsch", postuliert Adorno, und damit "Stereotypisierung, Zurückgebliebenheit, Wirklichkeitsflucht, falsche Geborgenheit oder etwa dümmlich Tröstendes".

Kitsch-Palette

Der Anglist Hans-Dieter Gelfert hat eine ganze Palette von Kitsch dargelegt: vom niedlichem Kitsch zum gemütlichen, vom sentimentalen zum religiösem, vom poetischen zum sozialen, vom mondänen zum sauer-zynischen Kitsch, vom erotischen zum gruseligen, vom erhabenen zum patriotischen, vom Heimat- und Naturkitsch zum Blut und Boden-Kitsch - ab hier geht der Kitsch eine gefährliche Verbindung mit faschistischer Ideologie ein.

"Diktatoren-Kitsch" nennt es Nathalie Patricia Soursos im Band "Renaissancen des Kitsch": die offensichtliche Neigung zum schlechten Geschmack eint Diktatoren der Weltgeschichte. Sie tragen exzentrische Kleidung, leben in überladenen Schlössern und lieben Gold und Glitzer. Kitsch erspart Fragen und bietet den einfachsten Weg an, Kitsch erlaubt keine Zweifel und baut eine Welt, in der wir uns - wie der Grazer Architekt Thomas Pilz sagt - in vollkommener Fraglosigkeit einrichten können, Kitsch ist gediegen, Kitsch ist Gewohnheit.

Service

Buchtipps:
Christina Hoffmann, Johanna Öttl (Hgg.), "Renaissancen des Kitsch", Verlag Turia + Kant 2016

Konrad Paul Liessmann, "Kitsch! oder warum der schlechte Geschmack der eigentlich gute ist", Brandstätter 2002

Irene Suchy (Hg.), "Zykan - Staat - Kunst. Libretti", Hollitzer Verlag Wien 2016.

Atelier für Architektur - Thomas Pilz, Theorien

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Wilhelm Müller
Titel: WINTERREISE, DV 911 / daraus:
* Nr.5 Der Lindenbaum
Solist/Solistin: Dietrich Fischer-Dieskau /Bariton
Solist/Solistin: Maurizio Pollini /Klavier
Länge: 04:50 min
Label: Orfeo C884131B

Komponist/Komponistin: Franz Schubert/1797 - 1828
Bearbeiter/Bearbeiterin: Wim Bohets /Arrangement
Bearbeiter/Bearbeiterin: Helmut Lotti /Arrangement
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Wilhelm Müller/1794 - 1827
Titel: Der Lindenbaum - Nr.5 a.d.Liederzyklus "Winterreise" DV 911 op.89 / Bearbeitung / Live
Solist/Solistin: Helmut Lotti /Gesang m.Begl.
Chor: Unbekannt
Choreinstudierung: Jan Vuye
Orchester: Golden Symphonic Orchestra
Leitung: Andre Walschaerts
Länge: 03:26 min
Label: EMI Scala 5565612

Komponist/Komponistin: Paul Anka
Komponist/Komponistin: Joe Sherman
Titel: Put your head on my shoulder
Solist/Solistin: Paul Anka /Gesang
Länge: 02:35 min
Label: CBS 6504767 / CD-K

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