Rudolf Taschner

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

von Rudolf Taschner, Mathematiker. "Ermutigungen" - Fünf zumutbare Glaubensweisen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Über den Aberglauben

Ihm dürften mehr Menschen anhängen, als man vermuten würde: dem Aberglauben. Denn er besteht seit Urzeiten. Schon Steinzeitmenschen warfen Würfel, die sie aus den Knochen der von ihnen erlegten Tiere schnitzten. Wenn die Würfel günstig fielen, glaubten sie, dass ihnen die Götter gewogen sind.

Der römische Kaiser Augustus warf vier Würfel gleichzeitig und freute sich herzhaft über den "Venuswurf", der dann zustande kommt, wenn die vier Würfel lauter verschiedene Augenzahlen zeigen. Dann nämlich, so glaubte er, ist ihm Venus, die Göttin der Liebe, hold.

Selbst der heilige Nikolaus gerät Jahr für Jahr in den Sog des Aberglaubens: Heute Abend, am Vortag seines Festes, jagen seine wilden Begleiter wie die gefürchteten schwarzen Katzen durch die Dörfer. Während sich niemand mehr für das wohltätige Wirken des Bischofs von Myra interessiert, erinnert der Krampus an den heidnischen Gott Pan, an die römischen Saturnalien. Bis heute wirkt der Aberglaube nach, dem das römische Volk verfallen war. Und auf wundersame Weise eroberte es trotzdem ein Weltreich, das erst zusammenbrach, als ihm die Kirche den Aberglauben abgewöhnen wollte. Am Ende siegte er doch, weil er im christlichen Brauchtum verharrt.

Es ist auch nicht die Wissenschaft, die den Aberglauben als Unsinn entlarvt. Es ist vielmehr die Einsicht, dass all jene Regeln und Verfahren, welche die dem Aberglauben Ergebenen mit peinlicher Akribie verfolgen, erbärmlich platt sind - die 13. Reihe zu meiden, Hufeisen mit der Öffnung nach oben anzubringen, Misteln aufzuhängen, um die Bewohner vor Hexen zu bewahren. Es ist schlicht die trostlose und zugleich lächerliche Banalität des Aberglaubens, die dazu zwingt, ihn abzulehnen. Jedenfalls in Lebenslagen, in denen man sich der Tiefe des Daseins zu stellen hat.

Service

Rudolf Taschner, "Woran glauben - 10 Angebote für aufgeklärte Menschen", Verlag Brandstätter

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wolfgang Amadeus Mozart/1756 - 1791
Titel: Symphonie Nr.36 in C-Dur KV 425
* Menuetto - 3.Satz (00:03:34)
Populartitel: Linzer Symphonie
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Sir Neville Marriner
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4129592

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