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Ex libris
Bücher, Menschen, Themen. Alte Meister
Moderation: Julia Zarbach
18. Dezember 2016, 16:00
Florjan Lipus: "Der Zögling Tjaz"
"Mit der Sprache sind wir oder sind wir nicht, mit der Sprache werden wir bestehen oder nicht", konstatierte der kärntner-slowenische Autor Florjan Lipus. Seinen Debütroman "Der Zögling Tjaz" veröffentlichte er 1972 in Slowenien und hielt dabei an seiner Sprache, dem Slowenischen, fest, was ihn wohl um größere Bekanntheit brachte. Der Internatsroman erzählt gattungstypisch vom tragisch endenden Zusammenprall eines jugendlichen Individuums mit Staat und Kirche. Erst neun Jahre nach der sPublikation wurde das Werk, auf Anregung und unter Mithilfe von Peter Handke, ins Deutsche übersetzt. Jahrelang vergriffen, wurde er nun neu aufgelegt - versehen mit einer "Nachschrift", in der Lipus auf den autobiografischen Kern des Buches eingeht und die Situation der Kärntner Slowenen im Licht jüngster Entwicklungen reflektiert. Ein großartiges Buch. - Gestaltung: Jörg Plath
Florjan Lipus "Der Zögling Tjaz", Roman, Jung & Jung Verlag (Übersetzung: Peter Handke, Helga Mracnikar)
Nüchtern im Gespräch: "Kontinent Doderer"
Kaum ein andrer Schriftsteller verstand es, die Verwobenheit scheinbar verschiedener Geschehnisse ineinander derart kunstvoll darzustellen wie Heimito von Doderer. Als Meister der literarischen Form, war er naturgemäß akribisch. Seine Tagebuchaufzeichnungen, die er in beinahe lückenloser Abfolge von 1920 bis zu seinem Tod im Dezember 1966 führte, gewähren tiefen Einblick in seine Gedankenwelt. Er selbst bezeichnete sie einmal als "Quellgrund, aus welchem alles kam, was Form gewann". Zum 50. Todestag des Autors, der sich diesen Monat jährt, hat sich der Wiener Journalist Klaus Nüchtern mit dem Autor beschäftigt. - Gestaltung: Gudrun Braunsperger
Klaus Nüchtern: "Kontinent Doderer. Eine Durchquerung", C.H. Beck Verlag. Gespräch mit dem Autor
Stefan Zweig und sein Freundeskreis
Im Februar vor 75 Jahre hat sich der österreichische Schriftsteller in seinem Haus in Petropolis bei Rio de Janeiro das Leben genommen. Dort fand man in seinem Nachlass das letzte Adressbüchlein (1940 bis 1942), das Einblicke in das persönliche Umfeld des Autors gibt. Der eifrige Briefschreiber emigrierte bereits im Austrofaschismus aus Österreich nach London; die Adressen seiner Freunde und Bekannten, aber auch von Verlagen und Institutionen sammelte er sein Leben lang. Vor zwei Jahren erschien es, herausgegeben vom brasilianischen Verein Casa Stefan Zweig als kommentierte Buchausgabe, nun liegt es auf Deutsch vor. - Gestaltung: Uli Jürgens
Alberto Dines, Israel Beloch, Kristina Michahelles (Hg.); "Stefan Zweig und sein Freundeskreis - Sein letztes Adressbuch 1940 - 1942", aus dem Portugiesischen von Stephan Krier, Hentrich & Hentrich
John Williams: "Augustus"
Der US-amerikanische Autor John Williams wurde 1922 in Texas geboren, war Universitätsprofessor für englische Literatur und Kreatives Schreiben, und vor allem Schriftsteller mit einer besonderen Leidenschaft für den ersten römischen Kaiser. "Augustus" war sein letzter vollendeter Roman (1972), für den er im Folgejahr den National Book Award erhielt. Mehr als 20 Jahre nach dem Tod des amerikanischen Autors liegt das Buch, das in fiktiven Briefzeugnissen ein Porträt des ersten römischen Kaisers entwirft, nun in deutscher Erstübersetzung vor. - Gestaltung: Andreas Puff-Trojan
John Williams, "Augustus", Roman, aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben, dtv
Wir beide wussten, es war was passiert
Das Jugendbuch des Monats stammt von dem Australier Steven Herrick und erzählt eine Geschichte über Freundschaft in Form eines Versromans. Mit nur 50 Dollar in der Tasche trampt der 16-jährige Billy los, lässt seinen saufenden und schlagenden Vater hinter sich. Am Rande von Nirgendwo trifft er Old Bill, den alten Penner, der im Nachbarwaggon haust, weil er nach dem Tod seiner kleinen Tochter keinen Zugang mehr zu seinem alten Leben findet. Und er trifft Caitlin, die nach der Schule bei McDonalds putzt; nicht, weil sie müsste, sondern um von diesen Eltern wegzukommen. Drei Menschen, die das Ringen darum eint, ihre Würde zu bewahren, allen Umständen zum Trotz. "A simple gift" lautet der Originaltitel, und das trifft auf das ganze Buch zu. Unbedingte Leseempfehlung für alle, die es gerne langsam und ruhig und schön haben. - Gestaltung: Karin Haller
Steven Herrick: "Wir beide wussten, es war was passiert", aus dem australischen Englisch von Uwe-Michael Gutzschhahn, München: Thienemann
Service
Casa Stefan Zweig, Petrópolis Brasilien
Stefan Zweig Centre, Salzburg