Zygmunt Bauman

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Salzburger Nachtstudio

In Memoriam Zygmunt Bauman
CONSUMO ERGO SUM
"Ich konsumiere, also bin ich" - Der polnisch-britische Philosoph Zygmunt Bauman und sein Konzept der "Flüchtigen Moderne"
Gestaltung: Jochen Rack und Günter Kaindlstorfer

Zygmunt Bauman, 1925 im polnischen Posen geboren, zählt zu den einflussreichsten Philosophen der Gegenwart. Baumans Einschätzung nach leben wir im Zeitalter der "flüssigen" oder "flüchtigen" Moderne. War die Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch von einer gewissen "Schwere" gekennzeichnet - fordistische Produktionsweise und Dominanz der Stahl- und Eisenindustrie -, so ist sie heute ins Zeitalter ihrer "Verflüssigung" eingetreten: Die globalisierte Ökonomie der Gegenwart überwindet mühelos alle nationalstaatlichen Grenzen, flexible Dienstleister lösen den festangestellten, pünktlich die Stechuhr in der Fabrikshalle betätigenden Schwerarbeiter als dominantes Rollenbild ab.

Auch die Macht organisiert sich anders als noch vor sechzig, siebzig Jahren. In Zeiten der "Flüchtigen Moderne", so Bergman, bewegt sie sich mit der Geschwindigkeit elektronischer Signale, sie ist schwer greifbar, exterritorial und physisch unabhängig. Politische und wirtschaftliche Macht rinnt heute durch Raum und Zeit, sie hält sich nicht mehr an nationale Grenzen, die einst in der "Schweren Moderne" noch durch Kriege und stenge Grenzkontrollen gesichert wurden. Schneller leben: So lautet das Motto der "Flüchtigen Moderne", nicht zuletzt auf dem Gebiet des Konsums. "Ich konsumiere, also bin ich", so fasst Zygmunt Bauman die Leitmaxime unserer Zeit zusammen. Dabei werden die Menschen selbst zu Konsumgütern, die sich auf dem Markt der Meinungen und Moden feilbieten müssen. Der "Konsumismus", so Baumans Diagnose, durchdringt heute alle Lebensbereiche. Damit werden auch die Beziehungen der Menschen flüchtiger, kurzfristiger, instabiler. Unsere Kultur, meint Bauman durchaus pessimistisch, definiert sich als eine "Kultur der Unverbindlichkeit, der Zusammenhanglosigkeit und des Vergessens".

In jüngster Zeit ist Zygmunt Bauman ins Fadenkreuz konservativer Kritiker geraten: Der berühmte Soziologe - der den Holocaust im sowjetischen Exil überlebt hat - sei nach dem Krieg als Offizier einer polnischen Sondereinheit Angehöriger des stalinistischen Terror-Apparats gewesen, kritisiert etwa der polnische Historiker Bogdan Musial. Zygmunt Bauman spricht im "Salzburger Nachtstudio" offen über die Jahre unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. "Ich war teilweise verblendet und habe mich täuschen lassen - und es ist schwer, sich eigene Ignoranz und Unfähigkeit zu vergeben. Aber ich schäme mich auch nicht. Ich habe niemanden verraten, nichts im strengen moralischen Sinn Falsches getan, ich bin auch nicht in die Wälder gegangen, um Leute zu erschießen. Ich habe einfach versucht, am Aufbau Polens mitzuwirken. Allerdings: Ich habe eine falsche Wahl getroffen."

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