Mann mit roter Farbe im Gesicht

AP/AJIT SOLANKI

Salzburger Nachtstudio

Vorurteil: Fluch und Nutzen für den Alltag
Gestaltung: Elisabeth J. Nöstlinger

Ausländer sind Sozialschmarotzer, Blondinen dumm, Franzosen die besten Liebhaber, Österreicher gemütlich aber Wiener sind grantig. Schokolade macht dick, Kaffee munter und Alkohol löst die Zunge. Deutsche Autos haben einen starken Motor und Holländer den besten Käse.

Vorurteile prägen unser Leben. Von Kindheit an. Sie kategorisieren die Welt in Gut und Böse, schön und hässlich, anziehend und abstoßend. Sie geben uns Orientierung und ersparen uns Denkarbeit, denn laut Christian Fichter sind die Menschen "kognitive Geizhälse". Vorurteile ermöglichen es ihnen, sich ohne lange nachzudenken, ein Bild zu machen.
Das habe sich im Laufe der Evolution durchaus als Vorteil erwiesen, analysiert der Psychologe an der Universität Zürich. Ähnlich sieht es der Hirnforscher Martin Korte. Für ihn sind "Vorurteile Übergeneralisierungen unseres Gehirns", ein Trick, um bei der Informationsverarbeitung Energie zu sparen. Je schneller ein Mensch sein Umfeld einordnen kann, desto mehr Kapazitäten bleiben für andere Denkvorgänge.

Das ist ein großer Vorteil bei Gefahren: Kreuzt beispielsweise eine dunkle Gestalt auf nächtlicher Straße den Weg, ruft das Gedächtnis alle Erfahrungen ab. Die Nervenzellen rechnen die Wahrscheinlichkeiten durch und aktivieren die zuständigen Areale. Die Mandelkerne signalisieren Angst. Die Basalganglien, der Ort, an dem eingespielte Bewegungsabläufe abgelegt sind, beschleunigen den Schritt. Dabei ist nicht die tatsächliche Gefahr entscheidend, sondern die Bilder und Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind. Sie dienen als Interpretations- und Verhaltenshilfen.

Doch die Nachteile lassen nicht lange auf sich warten. Oft führen Vorurteile in die Irre. So hat Christian Fichte bei verschiedenen Tests festgestellt, dass das Image einer Marke mehr zählt als die Qualität, das Klischee einer Publikation mehr als der Inhalt. Auch Eigenschaften, Temperamente, Verhaltensmuster einer Gesellschaft schaffen Zugehörigkeit. Sie dienen der Identitätsbildung und sind wiederum die Grundlage für Vorurteile.

Deshalb werden Klischees auch für die Inszenierung eines Krieges benützt. Sie werden gebraucht, um Einsichten abzuwehren und Ressentements zu schüren. Fazit: Vorurteile beeinflussen uns sowohl positiv, als auch negativ. Trotzdem sind wir ihnen nicht machtlos ausgeliefert. Die schnelle Beurteilung der Basalganglien und der Mandelkern gehen evolutionsbiologisch betrachtet, in einen sehr jungen Bereich des Gehirns ein.

Dieser sitzt im präfrontalen Kortex und ist für die bewusste Verarbeitung und Steuerung von Emotionen und Analysen zuständig. "Dank dieses Areals haben wir die Möglichkeit", so der Hirnforscher Martin Korte, "innezuhalten um dann unsere Reaktionen angemessen anzupassen".

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