ORF/JOSEPH SCHIMMER
Radiokolleg - Die Macht der Kränkung
Wie aus Enttäuschungen Neues entsteht (4). Gestaltung: Margarethe Engelhardt-Krajanek
2. März 2017, 09:05
Scheinbar kleine Kränkungen entfalten oft große Wirkung. Menschen kapseln sich ab, verlieren den Kontakt zu ihren Mitmenschen, flüchten sich in ihre eigene Ideenwelt. Viele entwickeln eine Depression. Denn Kränkungen erschüttern den Selbstwert. Sie bewirken eine tiefe Enttäuschung, vor allem über sich selbst. Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat Verbrechen analysiert, die eines gemeinsam haben: das Erlebnis der Kränkung. Aus Sicht der Psychoanalyse lösen Kränkungen schwere narzisstische Krisen aus. Die Kränkung kann zum Lebensthema werden, das Entscheidungen und Handeln nachhaltig beeinflusst. Doch manche Menschen können eine Kränkung verwandeln. Sie betrachten sie als Erkenntnis und fühlen sich herausgefordert, nach einer anderen Lösung zu suchen. Ihre Form der Konfliktverarbeitung hängt von den Skills ab und der Stabilität ihrer Bindungserfahrung, die sie bereits im Kindesalter erworben haben, erklärt die Bindungsforscherin Svenja Tauber von der Universität Kassel. Enttäuschungen führen dann zu Atempausen, zum Nachdenken und neu Ordnen. Wenn Menschen bar jeder Täuschung in der Lage sind, den Konflikt, den eine Kränkung auslöst, zu integrieren, kann diese zum Impuls schöpferischer Kraft werden. So liegen manchen wissenschaftlichen Erkenntnissen ursprünglich Enttäuschungen zugrunde. Und Künstler/innen aller Sparten müssen viele Rückschläge überwinden, bis sie Respekt und Anerkennung erwerben. Die Lebenskunst ist es, damit umgehen zu lernen.
Service
Literatur:
Reinhard Haller, Die Macht der Kränkung. Verlag ecowin 2015
Gerhard Dammann, Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage. Fallbeispiele und Lösungswege für ein erfolgreiches Management. Verlag Haupt, Bern 2007
Dammann, G. Narzissmus - Wichtige psychodynamische Konzepte und ihre
Auswirkungen auf die klinische Praxis, In: G. Dammann, B. Grimmer, I. Sammet
(Hrsg.) Narzissmus: Theorie, Diagnostik, Therapie, Kohlhammer, Stuttgart, 2012
Brockner, Kirsch, Taubner, Praxis des Mentalisierens. Klett-Cotta 2016
Svenja Taubner, Konzept Mentalisieren. Psychosozial - Verlag 2015
Michael Lukas Moeller, Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Rowohlt 2008
Danielle Bazzi, Heidi Schär-Sall, David Signer: Fluchten, Zusammenbrüche, Asyl: Fallstudien aus dem Ethnologisch-Psychologischen Zentrum in Zürich 2000
Links:
Mobbingberatung
Wir sind mehr!
Chronisch krank Österreich
Dyalog - Die Wahrheit beginnt zu zweit
Büro für Gesellschaft