Schneeglöckchen

APA/DPA/GUIDO KIRCHNER

Gedanken für den Tag

von Oliver Tanzer, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Furche". "Vom Garten und seinen Mehrwerten". Gestaltung: Alexandra Mantler

Baumzeichen

In Wien, wenn man dem Frühling wirklich zusehen will und die Sonne genießen und die ersten Blüten sehen will, dann geht man auf einen Platz, der heißt "Am Himmel". Dort kann man nicht nur einen herrlichen Blick über die Stadt gewinnen. Es gibt dort auch einen sogenannten Baumkreis. Jedem Sternzeichen ist da eine Baumart zugerechnet und man glaubt nicht, wieviel man hineingeheimnissen kann, in so einen Baum. Ja, bei manchen Menschen hat sich die ganze Verkorkstheit ihres Wesens aus den kosmischen Eigenheiten einer knarzigen Eiche erklärt.

Dabei ist so ein Baum ja wirklich auch ohne Sternzeichen ein ganz und gar erstaunliches Wesen. Denn bei optimalen Bedingungen kann ein Baum tatsächlich noch älter werden als Methusalem, ein paar tausend Jahre zumindest. Aber auch sein Wachstum ist unglaublich. Denn vom Samen bis zu seinem relativen Ausgewachsensein mit 150 Jahren hat sich das Gewicht des Baumes verachthunderttausendfacht. Im Schnitt nimmt er also um das 5300fache pro Jahr zu.

Wenn wir also das exponentielle Wachstum auf den Finanzmärkten verdammen - die Natur kann exponentiell noch viel mehr als jeder Finanzhai sich erträumen lassen würde in den tiefen Meeren seiner Geldsucht. Aber es gibt noch eine Eigenheit der Bäume, von der wir lernen könnten. Und auch die Finanzhaie. Wie man nämlich solche Wachstumsraten aushält. Mit Schlaf. Der Winter ist eine intensive Ruhephase, in der die Bäume Energie schöpfen können für die nächste Wachstums- und Keimphase. Das sind also die Konjunkturzyklen der Jahreszeiten. Es scheint fast, als gäbe es die Hälfte des Jahres eine Arbeit nach außen, und für den Rest der Zeit eine Arbeit nach innen.

Und was wäre, wenn wir unser Wirtschaftswachstum auch so sehen könnten? Dass dieses Wachstum einen Frühling kennt, in dem die Konjunktur sprießen und gedeihen kann nach Ökonomenherzenslust und zum Quadrat. Dass sie aber ebenso selbstverständlich ruhen können muss, um sich zu regenerieren. Um Fehler zu erkennen und auszumerzen. Und auch um neue Energie und neue Innovationskraft für den nächsten Modernisierungsschub zu entwickeln. Und diese Ruhephase müssten wir nicht fürchten, wir könnten sie begrüßen. Die Ökonomie wäre dann quasi wie der Frühling für den Baumfreund in Wien. Sie wäre sozusagen am Himmel - und sie hätte Weitblick - und endlich auch einmal ein positives Karma.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Eric Clapton/geb.1945
Album: TIME PIECES/THE BEST OF ERIC CLAPTON
Titel: Let it grow
Solist/Solistin: Eric Clapton /Gesang m.Begl.
Länge: 02:36 min
Label: RSO Records 8000142

weiteren Inhalt einblenden