Knopfdruck gegen gestörten Filmgenuss

Bürgerwehr im Kino

Eine US-Kinokette fordert Kinobesucher auf, über ein drahtloses Gerät - einer Petz-Box sozusagen - Störungen beim Personal zu melden und löst damit Probleme, von denen man noch nicht einmal weiß, wie sie aussehen werden.

Die längste Zeit war den üblichen Ruhe- oder Bildstörungen im Kino mit einem halbwegs intakten Organ und ein klein wenig Mut beizukommen. Ein beherztes "Ruhe da hinten!" oder ein genervtes "Schärfe" - und es war schneller still im Raum oder scharf auf der Leinwand als man sich selbst wieder in Filmgenussbereitschaft versetzt hatte.

Das hat sich freilich alles ein wenig geändert, seitdem sich Handybenutzer in dauerhaftem Bereitschaftsdienst wähnen und Filmvorführer ihren Bereitschaftsdienst immer woanders verrichten als in der Vorführkabine. Bis man gegen das polyphone Bimmeln aus der Handtasche in der neunten Reihe erfolgreich angeraunzt hat, ist der junge Mann vorne rechts bereits im Begriff, seiner Freundin via Handy zu erklären, mit wem er nach dem Film wie lange wohin fortgeht. Und wer den Bildstrich auf der Leinwand oder den Ausfall einer Lautsprecherbox zu beanstanden gedenkt, verpasst auf der Suche nach dem Vorführer locker einen Akt.

Per Knopfdruck gegen Unsitten

Um einschlägigen Ärgernissen im Kinosaal entgegenzuwirken, hat die amerikanische Regal-Kinogruppe vor einigen Monaten ein Gerät vorgestellt, dessen Einsatz bis dato weit weniger Aufsehen erregt hat, als ihm angemessen wäre. Kinobesucher, die auf das Kassenpersonal einen "reifen" Eindruck machen, werden mit einem kleinen Kästchen ausgerüstet, auf denen sie im Bedarfsfall einen oder mehrere von vier Knöpfen betätigen können.

Einer der Knöpfe dient als drahtloser Draht zum Vorführpersonal, wenn es gilt, ein Bild- oder Tonproblem zu beheben. Ein zweiter Knopf erlaubt es dem Kinobesucher, Unannehmlichkeiten mit der Raumtemperatur zu melden. Mit dem dritten Knopf kann das Personal alarmiert werden, wenn man sich von Mitbesuchern gestört fühlt - etwa wenn jemand während der Vorführung mit dem Handy telefoniert oder sich sonstiger Pöbeleien schuldig macht. Ob das gemeldete Vergehen nun mit einer Beschlagnahmung des Mobiltelefons geahndet, der Störenfried des Saals verwiesen oder nur bei den Ohren genommen wird, wurde bislang nicht bekannt gegeben. Zunächst auch nicht offen ausgesprochen wurde bei der Präsentation des Geräts im vorigen Jahr, worin die für "andere Probleme" ausgewiesene Funktion des vierten Knopfs bestehen soll. Doch es dauerte nicht lange und die Katze war aus dem Sack: Mit diesem Knöpfchen soll der aufrechte Kunde "Piraten" zur Strecke bringen, die mit mitgebrachtem Freibeuter-Gerät das Leinwandgeschehen abfilmen.

Rausch- und Lasterfahndung
Das einzige, worüber die "reifen" Kinobesucher bislang verlässlich aufgeklärt sind, ist die Vergütung: Wer sich mit der Petz-Box im Anschlag ins Kino setzt, bekommt einen Kübel Popcorn mitgeliefert. Ungeklärt ist die Frage, ob man im Fall einer erfolgreichen Denunziation eines "Piraten" das übliche Kopfgeld oder eine zweite Ladung Popcorn bekommt.

Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, was denn nun alles als Störung gemeldet werden soll oder darf. Reagiert man auf das Schnarchen des Vordermanns noch mit dem traditionellen "Pssst!" ins Ohrwaschel oder mit einem Knopfdruck? Ist ein Schnalzgeräusch beim Küssen nur ein Verstoß gegen die guten Sitten oder Lärmbelästigung? Und soll man einen solchen Verstoß ebenso per Knopfdruck anzeigen wie anstößiges Rülpsen?

Doch selbst wenn Regal Entertainment auf alle diese Fragen eine verbindliche Antwort hätte, würde das nur weitere Fragen aufwerfen: Darf man den Knopf auch drücken, wenn auf der Leinwand gegen die guten Sitten verstoßen wird? Und was ist, wenn jemand auf anstößige Weise Popcorn schmatzt und dieser jemand ein Mitglied der Kino-Bürgerwehr und sein Popcorn die wohlverdiente Gage dafür ist, dass er jemanden meldet, der gerade per Telefonanruf einen "Piraten" anzeigt, weil die Petz-Boxen schon alle vergeben waren?

Temperaturproblem
In europäischen Kinos ist der Einsatz der Meldebox bisweilen noch nicht vorgesehen. Sollte er jemals scheitern, dann weniger daran, dass das europäische Publikum sich besonders eifrig gegen Bevormundung wehren würde, sondern an der Möglichkeit, per Knopfdruck Probleme mit der Raumtemperatur beanstanden zu können. Während es nämlich in den USA kollektives Einverständnis darüber gibt, dass ein Kino Kühlschranktemperatur haben muss, würde in einem europäischen Kino jeder Besucher jede Temperatur beanstanden, die er nicht selbst geregelt hat.