Über Klima- und Wachstumsmodelle

Der Regenwald als Klimaarchiv

Fast die Hälfte der weltweiten Wälder liegt in den Tropen. In den Regenwäldern schlummert eine Fülle von wissenschaftlichen Geheimnissen. So kann man an Tropenbäumen erkennen wie unser Klima der Zukunft aussieht.

Während der Regenzeit steigt der Pegel des Amazonas jeden Tag um fast zehn Zentimeter. Für die Natur, als auch für die Menschen, hat diese jährliche Flut große Bedeutung, denn sie ist so gewaltig, dass sich alle daran anpassen müssen. In den Wäldern steigt der Wasserpegel um bis zu 15 Meter, dann heißt es auch für die Bäume "Land unter". 300.000 Quadratkilometer werden überflutet, ein Fläche dreieinhalb Mal so groß wie Österreich.

Der Forstwissenschaftler Florian Wittmann sucht seit vielen Jahren nach Merkmalen in den Bäumen, mit denen er auf das Klima rückschließen kann. Er glaubt, dass die Bäume eine Art Erinnerungsvermögen an vergangene Klimaperioden haben. Wichtigstes Hilfsmittel für ihn: Jahresringe. Dass es die in den Tropen gibt, wird allerdings von vielen Wissenschaftlern bestritten.

Gibt es Jahresringe bei Tropenbäumen?

Dieser Mythos stammt laut Wittmann von der Vorstellung, dass die Temperatur ein wesentlicher Faktor für den Wachstumsrhythmus von Pflanzen sei. In den Tropen sei die Temperatur zwar das ganze Jahr konstant, hier würden aber andere Faktoren wie zum Beispiel Niederschläge, oder die jährliche Überschwemmung die Wachstumssteuerung der Bäume übernehmen.

Die Untersuchungen von durch Bohrungen gewonnenen Baumproben konnte dies bestätigen. Das größte Wachstum findet in der nicht überschwemmten Zeit statt, die Jahresringbreite variiert also in Abhängigkeit von der Dauer der Vegetationsperiode. Somit ist bewiesen, dass die jährliche Überschwemmung der maßgebliche Faktor für das Wachstum Bäume ist.

Ozeanische Wassertemperaturen bestimmen Flut

Diese enge Verzahnung von Überschwemmung und Jahresringbreite hat weit reichende Folgen für die Wissenschaft. Denn die Jahresringe der teilweise mehrere hundert Jahre alten Bäume geben auch über das Klima Auskunft.

Die Höhe der Überschwemmung in Amazonien wird tausende Kilometer weit weg im tropischen Pazifik und dem tropischen Atlantik bestimmt. Die Wassertemperaturen dieser Ozeane kontrollieren sozusagen, wie hoch die Überschwemmung jedes Jahr wird.

Wenn im Pazifik die Oberflächenwassertemperaturen erhöht sind, dann entsteht El Nino. Das bedeutet für Amazonien weniger Niederschlag und die Flut, die daraus resultiert, ist abgeschwächt. Die Vegetationsperiode ist länger und die Bäume machen breitere Jahresringe.

El Nino und La Nina

Das Klimaphänomen El Nino, das alle paar Jahre zu verheerenden Überschwemmungen in Südamerika führt hat aber auch so etwas wie eine kleine Schwester, La Nina. Sie ist sozusagen das Gegenteil und entsteht wenn die Oberflächenwassertemperatur im tropischen Pazifik kühler als normal ist. Und das bedeutet für Amazonien mehr Niederschläge und eine große Überschwemmung. Die Bäume reagieren darauf entsprechend mit schmäleren Jahrringen, weil die Vegetationsperiode signifikant kürzer ist.

Auf Grund dieser Daten kann man sehr gute Klimamodelle erstellen.

Die Speicherung von CO2

Die Wissenschaftler wollen aus dem Wachstum der Bäume aber noch weitere Erkenntnisse ziehen. Daher werden die Jahresringe aus den Bohrungen auf ihre CO2 Speicherkapazität hin analysiert.

Über 150 Baumarten wurden in Brasilien so untersucht. Weil man durch digitale Landkarten auch die Verteilung dieser Baumarten kennt, lässt sich mit Hilfe der Wachstumsmodelle hochrechnen wie viel CO2 der gesamte Regenwald in Amazonien speichert und wie viel er zusätzlich aufnehmen kann.

Überraschende Daten

Die gewonnen Daten überraschten die Fachwelt. Es scheint so, als ob die Aufnahme und Abgabe von CO2 ungefähr im Gleichgewicht sei. Demnach kann der Regenwald nur ungefähr ein Prozent von dem, was die Menschheit jedes Jahr an CO2 in die Luft ausstößt aufnehmen. Und neueste Daten aus den sibirischen Wäldern, wo ganz andere Bedingungen für die Bäume herrschen bestätigen diese Ergebnisse. Offenbar nimmt der Wald weitaus weniger CO2 auf, wie bislang angenommen.

Diese Daten zeigen, dass auch weiterhin Vereinbarungen wie das Kyoto-Protokoll oder der Emissionshandel eine wichtige Rolle in der internationalen Klimapolitik spielen. Denn auf den Regenwald als CO2 fressenden Speicher sollte man sich nicht verlassen.

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