Die Kunst der Ermutigung

Kreativität als Mission

Das kreative Potenzial zu fördern, das in jedem Menschen steckt, das war das Lebensziel des Pädagogen Frederick Mayer. Am 11. August wäre der in Deutschland geborene Kreativitätsforscher, der seine Karriere in den USA begann, 85 Jahre alt geworden.

Frederick Mayers Kreativitätsbegriff war ein weiter: "Kreativität ist der Versuch, anders zu denken, anders zu fühlen und anders zu leben. Der Versuch, das Neue zu entdecken und zu verwirklichen. Der kreative Mensch ist unbequem, stellt viele Fragen und glaubt nicht an die Routine."

Mayer habe diesen Grundsatz selbst gelebt, ist der Wiener Chemiker Walter Franek überzeugt, der die letzten Lebensjahre des Pädagogen intensiv begleitet hat.

Mit 15 Jahren Emigration in die USA

Mit neuen Lebenssituationen auseinandersetzen musste sich Frederick Mayer, der 1921 in Frankfurt am Main geboren wurde, bereits sehr früh. Im Alter von 15 Jahren schicken ihn seine Eltern in die USA, um ihn vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu schützen; sie selbst fliehen erst im letzten Augenblick.

Mayer verbringt seine ersten Jahre in den USA in einem Waisenhaus - eine entbehrungsreiche Zeit, wie Walter Franek zu berichten weiß. Als sein Talent für Rhetorik von einer Lehrerin entdeckt wird, die ihn in ihre Rhetorikklasse aufnimmt, eröffnen ihm seine dortigen Leistungen die Chance auf ein Stipendium - und damit den Zugang zur Universität. Er studiert Philosophie und Pädagogik in Kalifornien, schließt 1944 ab und lehrt daraufhin selbst mehr als zwei Jahrzehnte an kalifornischen Universitäten.

Dynamische Erziehung

Im Zentrum seiner Arbeit in diesen Jahren steht die Weiterentwicklung seines Konzepts der "dynamischen Erziehung" - ein Konzept, das sich gegen Formen des herkömmlichen Schulunterrichts wendet.

"Echte Erziehung", so Frederick Mayer, sei "die Kunst der Ermutigung". Der "dynamisch erziehende" Lehrer stellt seine formale Autorität in den Hintergrund; Lust am Lernen erzeugt er über produktives Provozieren. Wenn schon im frühen Alter die Bereitschaft zur ständigen Öffnung für Neues entwickelt werde, sei damit auch die Basis für eine Haltung der Weltoffenheit und Toleranz gelegt, war Mayer überzeugt.

Zweiter biografischer Bruch: 1968

Im Jahr 1968 kommt es zum zweiten Bruch in Frederick Mayers Biografie. Verbittert über die Aufrüstungspolitik in der Ära Johnson und Nixon, beschließt der erklärte Pazifist, der engen Kontakt mit Martin Luther King pflegt, die USA zu verlassen. 1970 lässt er sich dauerhaft in Wien nieder.

Eine Fortsetzung seiner akademischen Laufbahn gelingt Mayer in Österreich nicht. Neue Betätigungsfelder findet er jedoch an der Religionspädagogischen Akademie Wien und als politischer Berater bei zahlreichen Reformprojekten in der Ära Kreisky.

Rege Publikationstätigkeit bis zuletzt

Daneben beginnt Mayer auf Deutsch zu publizieren. Er gibt zahlreiche Ratgeber und populäre Bücher zum Thema Kreativität und Lebensgestaltung heraus; später kommen Gedichte dazu.

Das Schreiben bleibt ihm, so Walter Franek, bis ins hohe Alter wichtig. Allein 2006 hat Frederick Mayer noch vier Bücher herausgebracht; am 26. Juni 2006 ist er in Wien gestorben.

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Dimensionen-Magazin" vom Freitag, 11. August 2006, 19:05 Uhr zum Thema Frederick Mayer nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Frederick Mayer, "Wege zu einem bedeutungsvollen Alter", Böhlau-Verlag, ISBN 3205774973