Banker-Legende Heinrich Treichl im Interview

Ich habe Österreich vier Mal erlebt

K. u. K. Monarchie, Erste Republik und Ständestaat, NS-Zeit, Zweite Republik: Die Banker-Legende Heinrich Treichl hat Österreich vier Mal erlebt. Im Interview erinnert er sich an "fast ein Jahrhundert“. So auch der Titel seines Buches, "eine Art Psychohygiene“, wie er sagt.

Heinrich Treichl über sein Buch

Auf Heinrich Treichl passt der Begriff "Grandseigneur“. Höflich, bestimmt und aufmerksam sitzt er mit Anzug und Krawatte im Salon seines "kleinen Palais“ im dritten Wiener Gemeindebezirk und spricht über sein Leben. Er könnte in einem Spielfilm über "Banker“ als authentische Person mitspielen, denn genau so stellt man sich einen Bankier "alter Schule“ vor: selbstbewusst, energisch, wenig oder keinen Widerspruch duldend, gleichzeitig aber Gentleman, dem ein gutes Auftreten in die Wiege gelegt wurde.

"Fast ein Jahrhundert"

Ganz oben steht er in den Bestseller-Listen mit seiner Biografie "Fast ein Jahrhundert", in dem er sich Nostalgie nach einer Gesellschaft, gemischt mit Nachrichten aus Finanz, Wirtschaft und Politik als "Stück Psychohygiene" von der Seele schreibt, wie er selbst sagt.

Fast ein Jahrhundert - dieses Alter hat er mit seinen 91 Jahren schon fast erreicht - in einem Leben, das von vielen Schicksalsschlägen geprägt, aber auch durch viel Erfolg gekennzeichnet war.

Sein Lebensweg

Als Kind musste er die Liquidierung der Biedermann-Bank-AG seines Vaters miterleben, als Jugendlicher den Tod seines Bruders Wolfgang, der - wie er - vor dem Nazi-Regime desertierte und auf der Seite der Briten bei einem Sondereinsatz in Norditalien ums Leben kam.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lernte er bei seiner Rückkehr aus den USA seine Frau Helga kennen und eine steile Karriere begann, die ihn vorerst Verlagsleiter bei Ullstein, später CA-Generaldirektor und nebenbei auch fast ein Vierteljahrhundert Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes werden ließ. Seine Verdienste als Banker kommentiert er in gewohnt trockener Manier:

"Als wesentliche Ergebnisse meiner Arbeit in der CA nehme ich für mich in Anspruch: die Öffnung der Bank für den 'kleinen Mann', die Entwicklung genormter leicht, verständlicher Produkte, die Expansion der Bank ins westliche und östliche Ausland, den Beginn des Abbaus der Industriebeteiligungen, die Entwicklung von hervorragenden jungen Mitarbeitern für das internationale Geschäft, eine offenere, ambitioniertere, wettbewerbsorientierte Unternehmenskultur und moderne Öffentlichkeitsarbeit. - Genug des Selbstlobs.“

Treichl heute

Den Sozialismus hielt Heinrich Treichl, inzwischen Vater von zwei erfolgreichen Banker-Söhnen, immer für eine "Bedrohung der Freiheit"; eine "intelligente Sozialdemokratie" und die Auseinandersetzung mit ihr hält er für eine gesunde Gesellschaft unentbehrlich. Das Fehlen eines ehedem üblichen strikten gesellschaftlichen Wertesystems ist für ihn aber ein kaum wiederbringlicher Verlust.

Rückblickend und nach vor schauend sieht der ehemalige Banker, der sich nie davor scheute, immer wieder Konflikte mit den Politikern auszutragen, aber durchaus positive Aspekte:

"Ich glaube, dass unsere Generation ganz gut gearbeitet hat, und ich glaube, dass die heutige Jugend die Früchte dieser Arbeit nützen kann."

Buch-Tipp
Heinrich Treichl, "Fast ein Jahrhundert", Zsolnay Verlag, ISBN 3552052836

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