Der Komponist und Posaunist Bertl Mütter

"Mütter-Briefe" und Posaunentöne

Komponieren ist für Bertl Mütter: "einem Thema nachgehen, es umkreisen, bis ins Tierische". Und so kreist sein Musikschaffen um thematische Zellen, die nicht nur untereinander einen musikalischen Bezug haben, sondern auch auf alle Bereiche des Lebens.

Was ist Komponieren? Diese scheinbar banale Frage klingt in beinahe jedem seiner Stücke mit, ist aus beinahe jedem Ton, den der Posaunist von sich gibt, herauszuhören. Doch weil Kompositionen Feststellungen sind und nicht Fragen, denn dann würden sie Objektionen genannt werden, kann Bertl Mütter den Vorgang des Musikschaffens beschreiben:

"Einem Thema nachgehen, es umkreisen, bis ins Tierische", meinte er einmal: "In sich hineinhorchen, sammeln und ernten, die gewachsene Architektur betrachten, um ein Zentrum kreisen, das zu erreichen uns möglicherweise verbrennen würde, in der richtigen Distanz aber am Leben erhält."

Die Kreisbahn über einer Welt als Scheibe

So kreist das kompositorische Schaffen Bertl Mütters um thematische Zellen, die nicht nur untereinander einen musikalischen Bezug haben, sondern auch Bezug nehmen auf alle Bereiche des Lebens. Seine Konzertauftritte sind nicht Wiedergaben artistischer Nummern, sondern Vorstellungen akustischer Konstellationen, die er aus der Betrachtung der Welt zieht: einer Welt als Scheibe, mag man einwenden, weil er sich ganz auf seine eigenen Instrumente bezieht, die Posaune, das Euphonium, die eigene Stimme, und nur selten für andere und dann verwandte Instrumente komponiert.

Jede Performance von Bertl Mütter steht im Spannungsfeld zwischen Komposition und Improvisation. Wenn Arnold Schönberg einmal Komposition als langsam ausgeführte Improvisation bezeichnete, warum sollte Mütters Improvisationen nicht der Status einer raschen "al fresco"-Komposition zuerkannt werden?

Über Musik sprechend

In sich hineinhorchend, dem Klang in der speziellen Akustik eines Raumes nachhörend, entstanden die Instant-Kompositionen, die Bertl Mütter auf seiner CD "parlando" präsentiert. Tatsächlich spricht er in den Stücken - musikalisch - über Musik, parliert über Klänge, Themen, Formen, ihre Beziehungen zur klingenden Umwelt (Glocken, Vogelgesänge), zur Akustik der Räume.

Aufgenommen wurden diese musikalischen Statements und Kommentare in drei akustischen, sehr unterschiedlichen Räumen des Benediktinerstiftes St.Lambrecht in der Steiermark, in der Peterskirche, im Karner und in der Schlosskapelle. Und unbewusst entstand dabei wohl auch ein Dialog mit der Akustik.

"Musik ist bei mir Reden", behauptet Bertl Mütter: "Und im speziellen Fall ist es ein spontanes Reden, wie man ja auch, wenn man miteinander spricht, letztlich improvisiert."

Reden und Horchen

Als "Destillat und tiefes Horchen in auch für mich neue und ungeahnte Innenräume" bezeichnet Bertl Mütter dann wieder das Resultat seiner Aufnahmen. Dazu behauptet er, es gehe nur um "pure Musik". Da scheinen doch Widersprüche gebündelt vorzuliegen! "Keineswegs. Einmal muss jeder, der redet, auch zuhören können. Andererseits kann jeder, der sensibel genug ist, aus dem, was er redet, auch wiederum hören, was an Gegensätzlichem mitschwingt, und - was noch wichtiger ist - alles, was aus der Rede heraus imperativ zum weiteren Bedenken auffordert."

Für Bertl Mütter kein Problem, denn überall findet er Material für Kommentare und Hinweise auf ungewöhnliche Perspektiven. Die Texte auf seiner Internet-Seite sind eine ständig neu sprudelnde Quelle, in der man sich von Vorurteilen rein waschen kann, wenn man nur gewillt ist, über sich selbst zu lachen.

Die Badewanne auf der Bühne

Diese heitere Gelassenheit zeichnet Bertl Mütter aus, der aber keineswegs aus Jux Themen von Anton Bruckner und Gustav Mahler zitiert. Und seine Erklärung klingt schlüssig: "Mein Hauptinstrument, die Posaune, besitzt ein kaum ernst zu nehmendes klassisch-romantisches Repertoire - ein Vorteil, denn ausbildungsbedingtes Erschaudern vor ihr gewidmeten Meisterwerken kenne ich nicht. So kann ich mich beschäftigende Werke - improvisatorisch und mit eigenem Material angereichert - in der Konzertperformance recht unvorbelastet an mir vorbeiziehen lassen. Wer allein in der Badewanne singt, hört innerlich das ganze Orchester, kein Instrument geht ihm ab; meine Badewanne steht auf der Bühne - ein sehr intimer Vorgang."

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Hör-Tipp
Tonspuren, Freitag, 27. Februar 2009, 22:15 Uhr

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Bertl Mütter