Über Massentourismus contra heiler Bergwelt

Der Berg ruft

Massentourismus und heile Bergwelt sind nicht mehr unter einen Hut zu bringen. Inszenierte Erlebniswelten ersetzen immer mehr das echte Abenteuer am Berg. Selbst in den Städten machen Kletterwände, Fitness-Center künstliche Skipisten oder Strände der Natur Konkurrenz.

Christian Wopp über die Zukunft des Bergtourismus

Geschätzte neun Millionen Skifahrer und Snowboarder erstürmen derzeit im Winter Österreichs Berge, rund fünf Millionen Wanderer und Bergsteiger sind im Sommer alpin unterwegs. Vor allem der Wintertourismus gilt als verlässliche Einnahmequelle. Wandertourismus hingegen hat den Beigeschmack eines faden Zeitvertreibs für die ältere Generation. Dennoch gehört den Wanderern die Zukunft, weil es immer mehr gesunde, ältere Menschen gibt, die das Bedürfnis der Bewegung in der freien Natur haben.

Vielfalt regiert

Das Urlaubsangebot wird vielfältiger und führt einerseits zu einer "Aldisierung" des Tourismus, also Urlaub im
Billigsegment, andererseits werden qualitativ hochwertige Angebote zunehmend nachgefragt: Die wohlhabenden, älteren Gäste buchen die Spitzenhotels. Sie haben daher eine relativ sichere Zukunft. Auf der anderen Seite entwickeln sich völlig neue Formen billiger Unterkünfte für die Jungen.

Zielgruppe Billigflieger

Beschleunigt wird die Entwicklung der Billigangebote auch noch durch den massiven Markteintritt der "Billig Airlines". "Sie haben neue Zielgruppen erschlossen", sagt der Chef der Österreich-Werbung, Arthur Oberascher: "Billigflieger bringen neue Gäste, die wiederum die billigen Unterkünfte buchen".

Erste Vorboten gibt es bereits, etwa das "Cube" am Fuße des Nassfelds in Kärnten - ein schlichter, quaderförmiger Bau mit einfachen, aber modern ausgestatteten Wohneinheiten für 600 Gäste. Zielgruppe: die 15 bis 39-Jährigen.

Schwere Zeiten werden auf die klassischen, kleineren Hotels und Pensionen zukommen. Wie auch in anderen Branchen die wenig beruhigende Prognose: Die Mitte bricht weg.

Konflikte vorprogrammiert

Das Nebeneinander billiger Massenangebote und teurer exklusiver Spitzenhotels führt auch oft zu Konflikten in Tourismusregionen. Wie soll man seine Marketingstrategie ausrichten? Verkauft man heile, unberührte Bergwelt oder eine inszenierte Erlebniswelt?

Tourismusexperte Univ.-Prof. Christian Wopp meint dazu, an einer Entscheidung für das Eine oder für das Andere werde ein Tourismusort nicht vorbeikommen.

Der "Aqua Dome" im Ötztal

Im Ötztal versucht man den Spagat trotzdem und verweist darauf, nur ein Zehntel der Gemeindefläche werde dem Tourismus gewidmet. Jakob Falkner, Organisator des Symposiums Future Mountain und Geschäftsführer der Gletscherbahnen, meint dazu, ihm habe ein Fachmann geraten, nicht gerade ein Berg-Disneyland zu machen, die Bergwelt doch aber besser zu inszenieren.

In diese Inszenierung passt auch das derzeit größte touristische Projekt Österreichs, der "Aqua Dome" im Ötztal. "Ein außergewöhnliches Projekt", sagt Thermengeschäftsführer Edmund Friedl, "denn im Ötztal ist die Therme ein zusätzliches Angebot mitten in einer Region, die touristisch ohnehin schon stark erschlossen ist, im Gegensatz zu den meisten anderen Thermen."

Wirtschaftlich erfolgreich ist das Projekt aber nur, wenn hunderttausende Gäste der Alpentherme "Aqua Dome", die dieser Tage eröffnet wird, auch nutzen.

"Ballermann"-Tourismus passé

Einen ganz anderen Weg geht der Hotelier Willfried Holleis. Auch er startet mit einem touristischen Projekt in einer Gletscherregion:

"Massentourismus ist auch nach dem Umbau des Alpenvereinshauses Rudolfshütte am Weißsee kein Thema. Die schweigende Mehrheit verlangt Ruhe und Natur ohne Animation. 'Ballermann'- Tourismus mit Alkoholexzessen ist laut und spektakulär, stellt aber dennoch nur ein Minderheitenprogramm dar."

Bergsport in der Stadt?

Doch werden künftige Generationen die Bergwelt überhaupt noch brauchen? Univ.-Prof. Christian Wopp sieht als große Konkurrenz Bergsport in der Stadt - in Form von Kletterwänden, künstlichen Skipisten oder Sprungschanzen. Ersatz oder Anregung für einen Bergurlaub? - Diese Frage lässt der Professor offen:

"Die Medien sind kein geeignetes Mittel, um den Bergtourismus abzusichern. Übertragungen von Ski- und Snowbordrennen bringen keine neuen Gäste. Sonst müssten wir alle Autorennfahrer oder Fußballer sein. Tatsächlich aber gibt es viel mehr Inline-Skater und Bergwanderer. Medien sind also kein Vehikel für tatsächlich ausgeübte Sportarten."

Nordic Walking und Carving

Die Zukunft des Bergtourismus hängt also von anderen Faktoren ab. Ein wesentlicher dabei: Der Einstieg in Sportarten muss leicht und attraktiv sein. Im Sommer hat das "Nordic Walking" vorgezeigt, wie's gehen könnte. Und im Winter sorgen die Carver-Skier für ein schnelles Erfolgserlebnis. Der leichte Einstieg in eine Sportart ist auch die beste Voraussetzung dafür, dass sich eine Sportart bleibend durchsetzt. Trotzdem sollte auch eine ständige Weiterentwicklung möglich sein, damit die Menschen dabei bleiben.

Die bleibenden Werte

Berge sind und bleiben also eine Herausforderung, nicht nur für Reisende und Urlauber, auch für die Bereisten, die Anbieter. Sie werden in immer kürzerer Zeit mit immer neueren Trends konfrontiert - Trends, die man aber auch bewusst nicht mitmachen kann. Christian Wopp dazu:

"Viele Sportarten sind gekommen und wieder verschwunden. Das elementare Erlebnis, im Winter auf gutem Gerät in schönem Schnee genussvoll zu Tal zu gleiten, das ist ein bleibender Wert. Das ist Qualität, die sich auf Dauer auch durchsetzen wird."

Download-Tipp
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Aqua Dom - Therme Längenfeld im Ötztal