Der Klimafolgen-Forscher Joachim Schellnhuber

Vor uns die Sintflut?

Der Grönlandeisschild zerfällt, der Regenwald des Amazonas kollabiert, der Indische Monsun wird gestört. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, berichtet, ob es wirklich so schlimm ist mit dem Klimawandel.

Joachim Schellnhuber im Gespräch mit Michael Kerbler

Michael Kerbler: Herr Professor Schellnhuber, in der Branche erzählt man sich Ihren Lieblingswitz über die Klimaänderung. Es treffen sich zwei Planeten im Universum ..."
Joachim Schellnhuber: ...ja, sagt der erste zum anderen: Du siehst aber wirklich schlecht aus, was ist nur mit dir los? Sagt der andere: Hör bloß auf, mir geht's richtig dreckig. Ich habe Homo Sapiens. Der erste meint: Ja, das ist wirklich schlimm, ich kann dir das nachfühlen. Aber glaub mir, das geht bald vorüber.

Ein bitterer Witz, der aber auf jeden Fall zwei große Wahrheiten versucht auszudrücken, nämlich erstens, dass dieser Planet in der Tat unter dem menschlichen Tun zu leiden hat, und zwar wirklich in einer weltumspannenden Weise. Und zweitens, dass, wenn wir nicht aufpassen, das nur eine kurze Episode in der Erdgeschichte bleiben wird.

Steht wirklich zweifelsfrei fest, dass es eine menschengemachte Erwärmung ist?
Es gibt bei einem so komplexen Thema keine Zweifelsfreiheit. Die gibt es auch nicht in der Physik. Die gibt es im Grunde genommen nur in der Mathematik. Sie können nicht mal beweisen, dass das Gravitationsgesetzt Newtons richtig ist, auch wenn es viele Millionen Male bestätigt worden ist. Es könnte immer noch eine Beobachtung geben, die dem widerspricht. Aber es gibt überwältigende Beweislast, überwältigende Evidenz, wie wir das sagen in der Wissenschaft, so dass wir uns zu 99 Prozent - von mir aus auch nur 95 Prozent - sicher sind. Und das ist hier der Fall. Es hat gerade der letzte Bericht des IPCC (Governmental Panel on Climate Change) noch einmal so ausgedrückt: Wir sind mitten drin im Klimawandel, und er ist ganz überwiegend von Menschen verursacht.

Zu Ihren Andeutungen in diesem Zusammenhang: Wer sind denn diejenigen, die das in Zweifel ziehen? Es sind ja nicht die vom Fach. Im IPCC-Prozess sind einige Tausend führende Wissenschaftler beteiligt. Im Grunde genommen wird jeder sogar beteiligt über Begutachtung, über Einladung im Internet zu Kommentaren - jeder, der in irgend einer Weise sich dafür interessiert, oder der in irgendeiner Weise mal vielleicht in einer Fachzeitschrift publiziert hat. Es ist die Gesamtheit der Forscher zum Klimawandel, die hier zu einer Einschätzung kommt. Ein einmaliger Vorgang. Und diejenigen, die nun Zweifel anmelden immer wieder, das sind gerade diejenigen, die vom Fach nichts verstehen. Es sind eben nicht die Klimaforscher, die sich erbittert streiten würden, das ist ein absolutes Märchen.

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