Begründer der Wienerischen Operette

Biografie über Franz von Suppé

Franz von Suppé gilt als Begründer einer eigenständigen Wienerischen Operette, es gibt aber kaum ein Musiklexikon, in dem mehr als die Eckdaten des Lebens des Franz von Suppé zu finden sind. Nun ist ein Biografie Suppés in Buchform erschienen.

Franz von Suppé - ein Name, der jedem Musikfreund ein Begriff ist: Seine Operette "Boccaccio" gehört zum Standard-Repertoire der Operettenliteratur und seine spritzigen Ouvertüren wie "Dichter und Bauer" oder "Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien" werden selbst von ersten Orchestern unter den bedeutendsten Dirigenten gespielt.

Wenn man sich aber auf die Suche macht, in welchen Zusammenhängen diese Ouvertüren entstanden sind, wird man nur vereinzelt Auskunft finden. Es gibt zwar kaum ein Musiklexikon, in dem nicht die Eckdaten des Lebens dieses Komponisten sind, doch darüber hinaus erfährt man selten wesentlich mehr, als dass Franz von Suppé der erste Komponist war, der eine eigenständige Wienerische Operette geschrieben hat. Wenn man Glück hat, wird man vielleicht noch antiquarisch Otto Schneidereits Franz von Suppé-Biographie ergattern können, wird aber nicht recht froh mit diesem Buch werden, da es weder über ein Werkverzeichnis, noch über eine Zeittafel oder einen Index verfügt.

Umfassendes Suppé-Porträt

Umso mehr Bedeutung fällt dem neuen Buch von Hans-Dieter Roser zu: "Franz von Suppé - Werk und Leben", in diesem Jahr erschienen in der Reihe "Neue Musikportraits", herausgegeben von Manfred Wagner bei der Edition Steinbauer in Wien.

Die 296 Seiten umfassende broschierte Veröffentlichung umfasst all das, was man bei Otto Schneidereit anno 1982 vermisst hat, nämlich Werkverzeichnis, Index und sogar eine keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Auflistung von Gesamtaufnahmen auf CD und in Rundfunkarchiven.

Die Geburtsstunde der Wiener Operette

Am 24. November 1860 schlug im Theater an der Wien die Geburtsstunde der Wiener Operette: Zur Aufführung gelangte ein kleines einaktiges Werk, "Das Pensionat", mit Musik von Franz von Suppé. Der in Dalmatien aufgewachsene Komponist hatte damit die österreichische Antwort auf die Pariser Erfindung des gebürtigen Kölners Jacques Offenbach gegeben, indem er französischen Esprit, Elan und Wendigkeit mit dem gemütvollen Ton der Wiener Posse und dem innigen Melodienreichtum der italienischen Oper verband. Er stieß das Tor auf zu einer wahrhaft europäischen Kunst, deren erste Blüte gleich "golden" genannt wurde und die mehr als siebzig Jahre das Unterhaltungsbedürfnis Europas stillen sollte.

Mit diesen Worten macht der Werbetext neugierig auf dieses Buch. Hans-Dieter Roser, Geschichts-, Musik- und Theaterwissenschaftler und lange Jahre als Betriebsdirektor an der Staatsoper Wien und an der Deutschen Staatsoper Unter den Linden Berlin tätig, zeichnet darin nicht nur ausführlich den Werdegang von Franz von Suppé nach, er bespricht auch detailreich einzelne Werke, sowohl in Sachen Handlung wie auch in Bezug auf die Musikstruktur.

Hier erfährt man genau, dass beispielsweise die erwähnte Ouvertüre "Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien" der einzige Beitrag des Komponisten zu einem sogenannten "lokalen Gemälde" 1844 im Theater an der Josefstadt war, und das "Dichter und Bauer" als Vorspiel zu einem Lustspiel von Karl Elmar, 1846 im Theater an der Wien entstanden ist.

Detaillierte Informationen
Der Leser wird detailliert informiert über die Kapellmeistertätigkeit von Franz von Suppé, der an Wiener Bühnen Werke von Donizetti und Bellini dirigiert hat, man erhält reichhaltige Informationen über die kompositorischen Zutaten Suppés zu den damals die Spielpläne füllenden Lebensbildern, Lokalpossen, Vaudevilles, Zauberspielen und Charakterbildern - Bühnenformen, die uns heute vollkommen fremd geworden sind - und natürlich Einblicke in die Operettenwerkstatt des Komponisten.

Die Wirkung der Werke auf das Publikum wird untersucht, womit auch diverse Verschiebungen im Publikumsgeschmack verdeutlich werden. Bei den wichtigsten Operetten wird ihrer Verbreitung außerhalb Wiens nachgespürt - und es werden sogar die zentralen Suppé-Interpreten der damaligen Zeit mit kurzen biographischen Angaben porträtiert, wobei gerade diese Details zuweilen interessante Überraschungen zu Tage bringen: Oder haben Sie gewusst, dass die Sopranistin Amelie Materna, eine von Richard Wagner hochverehrte Sängerin, die bei den Bayreuther Festspielen die Brünhilde im "Ring des Nibelungen" gesungen hat, im Operettenfach begonnen hat und in vielen Suppé Uraufführungen mit dabei war.

Gut lesbar und verständlich
Die Fülle des Materials, das in diesem Buch präsentiert wird, ist enorm und bleibt stets gut lesbar und verständlich, selbst wenn die Informationen zuweilen etwas zu schablonisiert in der Abfolge wiedergegeben werden. Das Schaffen von Suppé in seiner Zeit wird durch dieses Buch wieder lebendig, darüber hinaus gibt es aber auch ein wichtiges Kapitel mit "Suppé und die Nachwelt".

Denn anders als viele Biographien dieser Art, die wenig mehr als über den Tod eines Komponisten hinausgehen, macht sich Hans-Dieter Roser auch auf die Spur der verschiedensten Suppé-Bearbeitungen und postumen Wiederbelebungsversuche, die oft nicht gerade dem Geist des Komponisten entsprachen. In diesem Sinne ist auch das interessante Kapitel "Suppé auf Wiener Bühnen" zu verstehen, das einen Überblick über die Rezeptionsgeschichte bis in die unmittelbare Gegenwart bietet.

Ausstattung zu kurz gekommen
Man muss nicht unbedingt der resümierenden Meinung von Hans-Dieter Roser folgen, dass Suppé die kompositorische Kraft des Genialischen gefehlt habe und dass er über das Zusammenpacken von Wiener Volkskomödie, französischer Operette und italienischer Oper nicht hinausgekommen sei, ein immens wichtiger Beitrag zur Wiener Musikgeschichte, zur Entwicklung des Genre Operette stellt dieses Buch aber auf jeden fall dar.

Schade nur, dass in einer Publikationsreihe mit dem Titel "Musikportraits" die optische Ausstattung etwas zu kurz gekommen ist. Gerade einmal eine Karikatur von Suppé gibt es auf dem Titelbild, sonst aber kein einziges Bild - da hatte Schneidereit einst mehr zu bieten.

Hör-Tipp
Apropos Musik, Sonntag, 4. November 2007, 15:06 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Hans-Dieter Roser, "Franz von Suppé - Werk und Leben", In der Reihe "Neue Musikportraits", herausgegeben von Manfred Wagner, Edition Steinbauer, ISBN 9783902494221