Für jede und jeden etwas
Musiksupermärkte im Internet
Musiksupermärkte bieten Klänge für Klingeltöne, Werbefilme, Hörspiele, sie sind die CD-Ständer der Gegenwart. In den vergangenen Monaten sind drei Sounddatenbanken online gegangen; eine von Los Angeles aus, eine von Berlin, eine von St Pölten.
8. April 2017, 21:58
Erste Shopping-Station auf der Klang-Einkaufstour: Sampleposition von Eberhard und Dominik Kloke und Eduard Clark. Eine Wissensdatenbank oder ein Art moderner Grammophonständer.
"Samplosition besteht aus Sampling und Composition; eine Wortschöpfung, die den Vorgang klar macht, dass also der kompositorische Akt nicht mehr nur darin besteht, Noten aufzuschreiben, sondern man bedient sich direkt des digitalen Samplings", beschreibt Eberhard Kloke sein Werk.
Audio-Kreationen
Sampleosition-audio21 ist ein Audio-Label im Internet, es bietet Audio-Kreationen an der Schnittstelle von Komposition und Resampling. Eberhard Kloke hat Erfahrung in der digitalen Aufbereitung von musikhistorischen und kulturgeschichtlichen Themen, er hat im Jahr 2006 im Klangturm in St. Pölten eine Installation zum Thema Orpheus entwickelt.
"Die Frage des Kreises, der sich dafür interessiert", sagt Kloke, "ist eine erweiterte: Technisch haben es junge Menschen leichter, ohne ein wenig Vorwissen hat man keine Chance, ein glücklicher User zu sein. Weniger technisches Know-how kann man mit ein bisschen Klickfreude ausgleichen. Es geht nicht mehr um Jung oder Alt. Ausgangspunkt der Beschäftigung mit meiner Sounddatenbank ist eine gewisse kulturelle Neugierde."
Kulturgeschichtliche Reisen
Große Literatur ist Ausgangspunkt für kulturgeschichtliche Reisen in diesem Projekt, darunter: Marlen Haushofers "Die Wand", Albert Camus' "Der Fremde", Wagners "Ring", Alfred Kubins "Die andere Seite", Wedekinds "Lulu". Eberhard Kloke will mehr als nur Sounddateien und Klingeltöne anbieten, seine Fragen betreffen schlicht den Sinn des Lebens. Kann man zum Beispiel die Suche nach dem Sinn des Lebens mit Musik lösen?
Ein paar Themen, Klangrundgänge mit und kulturwissenschaftlichem Hintergrund: Passionsskizze - die Passionsskizze als leidenschaftliche Tempelaustreibung mit heutigen Mitteln; Erlenkönig - was flüstert der Erlenkönig, wenn ihm die musikalischen Metaphern versagen?
Tag- und Nachtbetreuung gehört zum Angebot
Ein Merkmal der neuen Sounddatenbanken: Sie sind betreut. Man ist nicht allein gelassen im unendlichen Raum des Internets, sondern ausgebildete Ansprechpartner - sozusagen der Mann im Web - erteilen Hilfe.
Eberhard Kloke, Dirigent und Arrangeur, hat mit seinen Kooperationspartnern das Projekt Samplosition selbst finanziert. Der Download, also das Herunterladen, ist frei; Geld verdienen, meint Eberhard Kloke, sollte man eher mit Bratwürsten.
Klänge und Geräusche beschreiben
Wir schauen also weiter: "All that sounds", abgekürzt wie einst die österreichische Währung ATS, ist unter der Leitung Hannes Raffaseders mit Studierenden der Fachhochschule St Pölten entstanden. Wie findet man bei ATS - all that sounds passende Klänge und Geräusche?
"Wir sind der Meinung", sagt Raffaseder, "dass die verbale Annäherung, also die Beschreibung eines Klanges mit Worten, der Suche am dienlichsten ist." Man sucht Feuer und findet Wasser - das Ohr lässt sich belügen. Das ist die eine Suchvariante. Andere Suchvarianten sind jene nach der Klanghüllkurve: lange Attack-Time und kurze Release-Time oder umgekehrt. Sprechen über Musik; schon Grillparzer verglich es in seiner Unmöglichkeit mit dem Beschreiben einer Mahlzeit. Sprechen über Geräusche - für Hannes Raffaseder eine der Hürden, die bei einer Sounddatenbank genommen werden muss: "Es scheitert eigentlich immer schon an einer Beschreibung; Klänge sind flüchtig, nicht fassbar, schwer beschreibbar."
Die User und Userinnen arbeiten mit, ergänzen, korrigieren, passen an. Dazu gibt es noch eine analytische Annäherung, die das Ohr überlistet: "Wenn man bei uns nach Feuerknistern sucht, kann es durchaus sein, dass man Regen, der aufs Blechdach tropft, bekommt. Die Schallsignale sind technisch betrachtet sehr ähnlich.
Musiksamples für Hollywood
Dritte Station: "Beyond". Die Datenbank des Komponisten und Arrangeurs Walter Werzowa, ein gebürtiger Wiener, in den 1980er Jahren Assistent Otto M Zykans, der seit den 90er Jahren in Los Angeles Karriere macht. In zwei Musikfirmen bietet er Musik an: Musikvergnügen komponiert, unter anderem für Filme von Wim Wenders oder Roger Spottiswood. Beyond bietet selbst aufgenommene Audio-Samples an.
Walter Werzowa möchte mit seiner Musik die Bilder schöner machen. In seiner Sounddatenbank Beyond gibt es Genre-Departments, ebenso Classical, in naher Zukunft will er ein neues Department Contemporary Classical mit Samples aus zeitgenössischer, auch österreichischer Musik eröffnen. "Ich hab jetzt gesehen, es gibt eine Marktlücke: gute Musik im Voraus zu schreiben. Was ist nötig für gewisse Szenen, welche Strukturen werden gebraucht? Wir nehmen mit Orchestern in Los Angeles im Voraus auf, und bieten das in unserer Datenbank den Produzierenden an.
Sounddatenbanken sind also ein bisschen wie Modeboutiquen: Man sucht nicht nur nach einem neuen Kleidungsstück, man lässt sich gern auch eine neue Idee verkaufen, das erweitert die Arbeit der Sound Designer.
Die Kreativität liegt im Suchen
Jedes Design-Team einer Datenbank muss auch ein Suchsystem kreieren. Ohne persönliche Betreuung kommt keine Datenbank aus: "Wir haben einen Musik-Supervisor. Es kann Tag und Nacht angefragt werden, was gebraucht wird. Innerhalb von einer Stunde bekommt man was man braucht." Walter Werzowa ist überzeugt, dass die neuen Möglichkeiten eine Qualitätssteigerung bedeuten.
Hör-Tipp
Apropos Musik, Sonntag, 5. Oktober 2008, 15:06 Uhr
Links
Samplosition
ATS
Musikvergnügen