Vorbedingungen und Ursachen

Aufstand gegen die Bevormundung

Bauernrevolten, bürgerliche Verfassungsbestrebungen, Protestaktionen der Armen und Deklassierten und nationale Emanzipationsversuche - all diese Bewegungen, eng verzahnt, bilden die verschiedenen Ebenen des Revolutionsjahres 1848.

Das Jahr 1848 gilt als das europäische Revolutionsjahr und wurde auch von den Zeitgenossen als ein solches wahrgenommen. Dabei war es keineswegs so, dass ganz Europa von einer Welle des Umsturzes erfasst worden wäre. Skandinavien, Großbritannien, die Staaten auf der Iberischen Halbinsel, das zaristische Russland und das Osmanische Reich blieben von gesellschaftlichen Erschütterungen weitgehend unberührt.

Dennoch ist 1848 als ein europäisches Revolutionsjahr zu begreifen: Erstmalig verbinden sich politisch-soziale Bewegungen mit nationalen und nationalistischen Bestrebungen und führen im Jänner in Süditalien, im Februar in Paris, ab März in Norditalien und den deutschsprachigen Ländern, schließlich auch in der Habsburgermonarchie, in Wien, Ungarn und den slawischen Ländern zu Aufständen.

In Wien gärte es

Der Sturz des Bürgerkönigtums in Frankreich hatte auf die öffentliche Meinung elektrisierend gewirkt. Die gesellschaftlichen Widersprüche zwischen dem alten Feudalsystem und dem erstarkenden Bürgertum sowie der neu entstandenen Schicht des Industrieproletariats führten zu unüberbrückbaren Gegensätzen und Konflikten.

Soziale Ungerechtigkeiten, die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten und eine restaurative Regierungspolitik heizten die Stimmung auf. Natürlich spielten auch nationale Konflikte, Freiheitsbestrebungen und der Wunsch nach mehr Autonomie gerade in der vielsprachigen Habsburgermonarchie eine zusätzliche wichtige Rolle.

Vom Handwerk zur industriellen Produktion

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte ein Systemwechsel in der Produktion eingesetzt: Das seit dem Ende des Mittelalters zuerst schleichend, dann aber mit Beginn des 18. Jahrhunderts immer stärker erodierende Zunftwesen wurde von einem neuen Typus der Produktion endgültig abgelöst.

Die Industrialisierung hat die Voraussetzungen für die Veränderungen geschaffen: Die Umstellung vom Handwerk zur industriellen Produktion, von der Handarbeit zur Massenerstellung durch Maschinen unter den Bedingungen der Arbeitsteilung.

Die neue Zeit brachte neben dem Berufsstand des Lohnarbeiters auch dessen komplementäres Gegenstück das des Unternehmers hervor. Diese "Neureichen" zogen gesellschaftlichen Neid auf sich, weil sie sich eine Stellung eroberten, die vordem allein dem Adel vorbehalten war.

Die Entstehung des Proletariats

Doch wer bezahlte die Rechnung für den Aufstieg der Neureichen? Mit der ökonomischen Revolution war eine neue Bevölkerungsschicht entstanden, die sich zahlenmäßig rasant vermehrte: Die Klasse der Werktätigen, des Proletariats.

Dieser neue Typus des Industriearbeiters war bar jeder sozialen Bindung, bar jeder ökonomischen Absicherung. Den Kern des rasch wachsenden neuentstandenen Industrieproletariats bildeten verabschiedete Soldaten, Kleinhäusler und verarmte Bauern.

Über die furchtbaren Lebensumstände der abhängigen Arbeiterklasse in der 1830er und -40er Jahren schrieb Ernst Violand, Vorkämpfer einer demokratischen Neuordnung Österreichs im 19. Jahrhundert, in seiner "sozialen Geschichte der Revolution in Österreich 1848":

Ganze Vorstädte sein Bericht bezieht sich auf Wien wimmelten von ausgehungerten, zerlumpten Arbeitern. Es gab viele brotlose Menschen, welche fast ohne Bekleidung sowohl im Sommer als im Winter sich des Tages hindurch in den Unratkanälen aufhielten und des Nachts Einbrüche und Raubüberfälle begingen.

Vormärz das Biedermeier

Die Jahre zwischen dem Wiener Kongress und dem Revolutionsjahr 1848 waren von einer Phase stürmischer Umgestaltungen durchdrungen, die auf Basis einer neuen Wirtschaftsform zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen führten.

Einer wirtschaftlich progressiven Entwicklung stand eine politisch restaurative gegenüber, das ergab einen Gegensatz mit Sprengkraft, und als ein solcher sollte er auch 1848 in vielen Teilen Europas, auch in der Habsburgermonarchie, zum Durchbruch gelangen.

Kulturwissenschaftlich wird diese Periode des Vormärz das Biedermeier genannt, eine eigentümliche Bezeichnung für eine Zeit, deren Krisen nicht mehr als Folge von exogenen Ursachen wie Missernten und Dürrekatastrophen aufgefasst werden können, die auch nicht durch Kriege ausgelöst wurden, sondern die dem Wechsel von Expansion und Kontraktion einer neuen kapitalistischen Wirtschaftsform entsprechen.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 20. Oktober bis Donnerstag, 23. Oktober 2008, 9:30 Uhr