Das Ende vom Anfang

30 Jahre Volksabstimmung Zwentendorf

Am 5. November jährt sich zum 30. Mal das Ereignis, das das Atomzeitalter in Österreich vor seinem Beginn beendet hat. Eine knappe Mehrheit hat sich 1978 bei der Volksabstimmung gegen den Betrieb des fertigen Atomkraftwerks in Zwentendorf ausgesprochen.

Österreich ist das einzige Land der Welt, das aus der Atomenergie ausgestiegen ist, bevor es noch drin war. Am 5. November 1978 ist das Atomzeitalter in Österreich zu Ende gegangen, bevor es begonnen hat. Damals, an jenem 5. November, stimmten 1.606.308 Menschen mit Nein, als es um die Frage ging, ob das Atomkraftwerk in Zwentendorf im Tullnerfeld in Niederösterreich in Betrieb gehen sollte. 1.576.839 Menschen waren dafür, das AKW ans Netz gehen zu lassen.

30.000 Stimmen Unterschied

Damit machten bei über 3 Millionen Stimmen nicht einmal 30.000 den Unterschied. Sie entschieden, dass ein Kraftwerk, das um 15 Milliarden Schilling gebaut worden war, keinen Strom produzieren sollte. Befürworter der Atomkraft betrachteten das Nein als Katastrophe. Sie sahen eine riesige Geldverschwendung. Und sie fürchteten, dass in Österreich bald der Strom knapp werden würde und die Lichter ausgehen könnten. Ersteres ist unbestreitbar. Die Baukosten waren verloren. Zweiteres ist nicht passiert. Österreich konnte seinen Strombedarf auch ohne Atomenergie decken.

Anfang vom Ende der Ära Kreisky

Die Abstimmung über das AKW Zwentendorf war nicht nur ein Einschnitt in Österreichs Energiepolitik. Sie markierte auch eine Wende in der Ära Kreisky. Der SPÖ-Bundeskanzler hatte die Abstimmung über das Kraftwerk mit einer Abstimmung über seine Politik verknüpft. Diese Rechnung ging nicht auf. Genauso wie Zwentendorf das Symbol für den ersten schweren Rückschlag für Bruno Kreisky war, war es der Start einer neuen politischen Bewegung in Österreich.

Viele derjenigen, die sich in der ersten Reihe gegen Zwentendorf engagierten, fanden sich später unter den Gründungsmitgliedern der Grünen. In Erinnerung ist vielleicht noch das Fernsehbild von Freda Meissner-Blau, die im Radio das Ergebnis der Abstimmung hört und sich mit anderen Atomgegnern in die Arme fällt.

Atomdiskussion läuft bis heute weiter

Vergleicht man die damalige Diskussion pro und contra Atomenergie mit der heutigen, zeigt sich, dass sich die Argumente kaum geändert haben. Atomkraftgegner argumentieren, das wesentliche Problem der Kernkraft sei ungelöst, nämlich die Frage, was man mit dem Atommüll machen solle. Außerdem habe sich mit der Katastrophe von Tschernobyl gezeigt, dass die schlimmsten Befürchtungen der Atomgegner Wirklichkeit werden können.

Die Atombefürworter halten dagegen, Atomkraft sei im Grunde sicher und unverzichtbar, um den steigenden Strombedarf zu decken. Dieses Argument hat sogar durch die Diskussion um den Klimawandel neuen Auftrieb bekommen. Länder wie China und Indien planen Atomkraftwerke zu bauen, weil sie jede Möglichkeit nutzen wollen, ihren Energiehunger zu stillen.

Atomkraft als Rettung für das Weltklima?

Ob Atomkraft der Ausweg aus den Energieproblemen ist, ist allerdings umstritten. Tatsächlich werden beim Betrieb eines Atomkraftwerks kaum Treibhausgase produziert. Umweltschützer argumentieren, allein ein Kraftwerk zu bauen, koste soviel an fossiler Energie, dass von einer klimaschonenden Energieform keine Rede sein könne. Außerdem werde Uran als Grundmaterial für die Brennstäbe irgendwann genauso zu Ende gehen wie Öl und Gas. Atomenergie zu einer sauberen Form der Stromgewinnung umzuinterpretieren, ist den Befürwortern also nicht gelungen.

In Österreich versuchten Atomkraft-Befürworter in den Jahren nach der Volksabstimmung immer wieder, die Stimmung zu drehen und Zwentendorf doch noch aufsperren zu können. Mit der Katastrophe von Tschernobyl war auch den glühendsten Atomkraftfans klar, dass diese Energieform in Österreich keine Chance haben würde.

Seitdem beschäftigt sich der niederösterreichische Energieversorger EVN nur mehr mit der Frage, wie man die Atomruine am besten nutzen könnte. Zunächst wurden jene Teile verkauft, die für den Betrieb als AKW unverzichtbar waren. Ideen, die Hülle des Kraftwerks und die vorhandenen Leitungen für ein Kohle- oder in jüngster Zeit für ein Biomassekraftwerk zu nutzen, sind bisher nicht verwirklicht worden. Derzeit dient das Kraftwerk nur mehr einem Zweck: Techniker aus Deutschland werden in Zwentendorf eingeschult. Als Schulungsstätte gilt die Atomruine als einmalig, ist es doch das einzige Atomkraftwerk, das fertig gebaut und nie genutzt worden ist.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag 31. Oktober 2008, 9:45 Uhr

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